Vendôme

Im Bergischen Land fällt auf, dass die Bürger durchweg solide Häuser
bewohnen, die keinesfalls einen ärmlichen Eindruck machen. Aber es fehlt
jegliche Bauplanung. Was dazu führt, dass praktisch kein Ort eine
Atmosphäre entwickelt. Neben einem schmucken Fachwerkhaus steht eine
solide 60er Jahre Sünde, gefolgt von einem hochmodernen Glasbaugebilde
neben einem trutzigen Gründerzeithaus und so weiter. Es ist alles so
querbeet durcheinander gewürfelt, dass das hoch über Bergisch-Gladbach
thronende Bensberger Schloss eine wohltuende Augenweide ist. Oben
angekommen, hat man einen weiten Blick bis nach Köln und darüber hinaus
und im Rücken das wuchtige in weiß gehaltene Schloss.
Das Vendôme liegt im rechten Seitentrakt des Jagdschlosses Bensberg, im
sog. Kavaliershäuschen.
Am Eingang des Vendôme wurden wir freundlich aufgenommen, einen
länglichen Weg in den Restaurantbereich geführt, vorbei an den
großräumigen Fenstern der Küche. Von dort winkten uns aufgeräumte Köche
fröhlich zu. Am Übergang zwischen Küche und Gastraum begrüßte uns Herr
Wissler und wünschte einen angenehmen Aufenthalt. Ich hätte zu gern
gewusst, ob er seinen Gästen ansehen kann, ob sie nur ihr Geld zur Schau
tragen oder ob sie kommen, um seine Speisen zu genießen. Die nach uns
eintreffenden Restaurantbesucher teilten sich jedenfalls in beide
Gruppen auf.
Das Restaurant hat überwiegend Plätze, die einen weiten Blick in die
Landschaft erlauben und man hat offensichtlich bei der modernen, teils
in lindgrün gehaltenen Einrichtung darauf geachtet, den Raum nicht mit
Dekorationen zu überfrachten.
Fazit: Wir saßen bequem und luftig angenehm.
Im Verlaufe des Mittags wurde auch deutlich, wie gut geschult das
Personal mit uns Gästen umzugehen wusste. Allesamt wirkten daran mit,
dass jegliches unnötige Geräusch beim Eindecken der Tische vermieden
wurde. Es entstand dadurch eine entspannte Atmosphäre, die es jedem
möglich machte, sich gemütlich auf die Gaumenereignisse einzulassen. Man
teilte uns obendrein mit, dass solch ein ruhiges Auftreten auch der Stil
in der Küche sei und man dort ebenfalls darauf achte, keine hektische
lautstarke Stimmung entstehen zu lassen. Die Bedienungen waren auf
natürlich wirkende Weise den Gästen freundlich zugewandt. "Unser"
Kellner berichtete von sich, vormals im Restaurant Louis C. Jacob
gearbeitet zu haben und erinnerte sich gern an Hamburg zurück. Der
Sommelier Marco Franzelin, der ebenfalls im Jacob tätig gewesen war,
erklärte bereitwillig die von ihm ausgeschenkten Weine. Und um es vorweg
zu sagen, seine Auswahl war sehr gut getroffen. Sämtliche Weine und zum
Dessert ein Cidre harmonierten ausnehmend gut mit den Speisen.
Auf dem Tisch lag bereits eine sog. Lunchkarte, was zunächst verwirrte,
weil wir schon befürchteten, es gäbe mittags nur eine deutlich
eingeschränkte Auswahl. Dies erwies sich jedoch als Irrtum. Aus der
großen Karte wählten wir, so wie wir es schon bei unserer
Internetrecherche entdeckt hatten, die aus 6 Gängen bestehende
Frühlingsempfehlung.
Preis pro Person mit begleitenden Weinen: 295 Euro.
Wegen der bei 6 Gängen zu erwartenden Menge an Getränken wählten wir
keinen Aperitif und orderten nur eine Flasche Wasser (San Pellegrino 10
Euro). Das konnte Herr Franzelin offensichtlich nicht mit ansehen und
lud uns, ohne Aufheben zu machen, zu einem Sekt aus der rheingauischen
Sektmanufaktur des Schlosses Vaux ein.
Eine sehr gute Idee finde ich, dass man nicht nur bereits im Internet
lesen kann, welche Gänge es gibt, sondern auch, welche Amuse-Gueules,
Herr Wissler nennt sie Auftakte und Abschlüsse, die vor und nach dem
Menü gereicht werden.
Bevor ich aber mit der Aufzählung und kurzen Beschreibung all der
Leckereien, die auf den Tisch gestellt wurden, beginne, möchte ich
meinen grundsätzlichen Eindruck zur Küche des Herrn Wissler schildern:
Jedes auch noch so kleine Stückchen auf unseren Tellern ließ sich
einzeln herausschmecken, hatte sein eigenes Aroma und behielt es auch,
wenn man es mit anderen Zutaten kombinierte. Die fein gestalteten Teller
enthielten keine Dekorationen, die man mitessen konnte, sondern jedes
Teil war ein gewollter Gaumenbestandteil, der zugleich dekorativ wirkte.
Alles war hochgradig durchdacht und punktgenau. Unser Menü hatte eine
durchkomponierte Leichtigkeit, so dass man die Bezeichnung
"Frühlingsempfehlung" durchaus als passende Überschrift dieses Menüs
bezeichnen konnte.
Wissler gab seine Gerichte auf unterschiedlich gestaltetem Porzellan und
anderen Materialien, mal bunt, mal schlicht, mal phantasievoll an den
Tisch, was zusammen mit den teils fast gegensätzlichen Bestandteilen
(wie zum Beispiel: Gänseleber-Aloe vera, Langustine-Marshmallow,
Perlhuhn-Miso, Milchferkel-grüne Bananen, Birne-Weißalgen) den kreativen
Crossover-Effekt noch unterstrich. Ideal dazu passend wurde das zum
jeweiligen Gang gereichte Weinerlebnis aus aller Herren Länder
zusammengestellt.
Fazit: wir befanden uns mit dem Menü "Frühlingsempfehlung mitsamt den
gereichten Weinen auf einer breit gefächerten Geschmackserlebnisreise.
Manchmal hätte ich mir gewünscht, so einen Gang nochmals
durchzuschmecken zu dürfen, um noch weiter zu erproben und zu
erschmecken, wie herrlich alles miteinander harmonierte und doch
geschmacklich selbstbewusst blieb.
Bei vielen Bestandteilen auf dem Teller hätte ich auch unter Folter
nicht mal annähernd erklären können, wie sie hergestellt wurden. Manches
imponierte durch seine Winzigkeit, wie z.B. unglaublich fein
geschnittene Röllchen aus geräuchertem Aal, oder das "Aloe Vera
Häppchen" bei dem ich mich bis heute frage, wie Wissler diese
Flüssigkeit in streichholzschachtelgroße Häppchen verarbeiten konnte,
oder die mikroskopisch kleinen knusprigen Amaranthkügelchen, das sog.
falsche Piment, eine aus feinster Creme hergestellte und trotzdem mit
der Gabel aufnehmbare Pimentschote, oder einfach ein hauchdünnes Blatt
knuspriger Perlhuhnhaut. All das und sehr viel mehr waren imponierende
Gaumenerlebnisse, die zugleich das Auge staunen ließen.
Ich traute mich nicht, Fotos zu machen. Ich fand, das hätte die feine
Essatmosphäre gestört und insgesamt erschien es mir auch in diesem
Restaurant so überhaupt nicht passend. Es sind aber unter
http://joachimwissler.com/blog/aktuelles-jw-menue-current-jw-menu/jw-winter-menue-jw-winter-menu/
einige der Gerichte aktuell sichtbar, keine Ahnung, wie lange man sie
dort anschauen kann.
Der Auftakt, also die Amuse-Gueules, bestand aus vier Teilen:
a.) Wagyu Beef als sog. Brotzeit auf rustikalem Olivenholzbrett mit
Hüttenkäse und Bucheckern und hauchfein geschnittener Scheibe dieses
würzig schmeckenden Beefs, das 6 Wochen lang in Salz gebeizt worden ist.
Fazit: köstlich.
b.) Fischstäbchen & Pina Colada (Kokos:Ananas & Wasabi). Die Pina Colada
wurde dekorativ in einer kleinen Flasche mit Strohhalm gereicht. Auf dem
Teller lag eine Kokospraline und daneben das tadellos gegarte längliche
Stückchen Lachs, welches mit etwas Knusprigem bestreut war, das ich
geschmacklich nicht erklären kann.
c.) Milchferkelschnäuzchen (süß-sauer: Gillardeau Auster). Das
Schnäuzchen war grün und sah aus wie das Gesicht eines Ferkelchens und
ansonsten war dieser Teller ein fröhliches kunterbuntes Durcheinander
von kleinen Geschmackserlebnissen. Sehr schlecht zu beschreiben, was
einen da erwartete. Vielleicht einer der Gründe, weshalb eine
Restaurantkritik im Grunde genommen nie das eigene Erlebnis auch nur
annähernd wiedergeben kann.
d.) An die Makrele (Kartoffel: Sardinencrème) erinnere ich mich leider
in ernüchternder Form, denn für einen Hamburger ist Makrele schon mal
von Haus aus nicht der Renner. Die Makrele schmeckte sehr unauffällig,
wenn auch perfekt frisch, das Kartoffelwasser unterstrich diese
Flachheit und die Sardinencreme holte den Fisch auch nicht aus der Ecke,
um es einmal etwas platt auszudrücken. Insoweit für mich ein
enttäuschender Auftaktteil, wenn auch es Herrn Wissler gelungen war, mir
die Makrele als Edelfisch zu präsentieren.
Und dann ging's los mit dem Menü:
1.) Gänseleber & Aloe Vera (gegrillt: Mandarinenessig: Erdnusscréme &
Matcha -Kohl)
Die hervorragende Gänseleber hatte eine fast knusprige Oberfläche, die
Erdnuss-Creme war hübsch geformt wie ganze Erdnüsse mit einem Hauch von
Gelee ummantelt und schmeckte wie eine Geschmacksbombe in Erdnuss. Ein
gelungenes Gegenspiel zur Gänseleber. Jedes Detail auf dem Teller ließ
sich herausschmecken. Extra gereicht wurde ein viereckiges fast glasiges
Stück, das die Aloe Vera-Zutat war. Dazu gabs einen unglaublich deutlich
an Sherry erinnernden Weißwein von Pedro Ximénez Late Harvest
Ximénez-Spinola, der für sich genommen ein Erlebnis war. Von mir aus
hätte man bei diesem Wein während des gesamten Menüs bleiben können,
aber es kamen noch Überraschungen.
2.) Der Lechtal Saibling "Escabeche" (Amaranth-Kaviar:
Spiegelei-Meerrettichcrème & soufflierte Rosinen) war ein köstliches
Stück Fisch mit krossem Amaranth, der wunderbar mit der Meerrettichcreme
auf der Zunge zerging. Die soufflierten Rosinen, auf die ich besonders
gespannt war, waren helle, leicht säuerlich schmeckende Rosinen, die
(und wieder wüßt' ich nicht, wie man das macht) mindestens die doppelte
Größe angenommen hatten, als wären sie zu Weintrauben mutiert. Dazu
gereicht wurde ein runder tuffiger Buchweizenkeks (Herr Wissler nennt
das Gebilde Donut), belegt mit Schmand und Saiblingskaviar. Eine
gelungene Komposition, sowie der dazu gereichte 2010er Chateau Simon "Pallet"
aus der Provence.
3.) Ein großes Stück auf den Punkt gegarte Langoustine Grillées
("Paella": falsches Piment: Tintenfisch- Marshmallow & Reisfumet) lag
auf ein wenig Paella-Reis, ein paar Miniaturmeeresfrüchte waren dazu
längs gelegt (wo bekommt man solche zwergenlandgroßen Meeresfrüchte bloß
zu kaufen?) und seitlich ein aus tintenfischblauem Gelee, sanft nach
Tintenfisch schmeckender Marshmallow.
Man verzeihe mir meine dilettantische Beschreibung, es war vermutlich
etwas anderes als Eischnee mit Geliermittel, aber was es war und wie es
hergestellt wurde, das bleibt wohl Wisslers Küchengeheimnis. Dieser Gang
wurde von einem 2012er Riesling "Bundsandstein" von John aus der Pfalz
begleitet. Ein deutlich mineralisch schmeckender Riesling und leider
nicht ganz so mein Geschmack, aber treffend zum Gericht gewählt.
4.) Das saftige Mieral Perlhuhn (Estragon: kleine Artischocken:
Wintertrüffel & Topinambur-Misopüree) mit einer knusprigen Kruste,
winzigen Artischockenstückchen und einem angenehmen Topinamburschmelz
und kreisrunden Trüffeltalern. In einem Holzkistchen, welches mit
Nistmaterial und den schön gesprenkelten Wachteleiern ausstaffiert war,
lagen zwei Hautknusperdreiecke des Perlhuhns. Sehr gelungener Gang.
Hervorragend auch eine Überraschung aus Patagonien, nämlich der 2011er
Malbec "J. Alberto" Bodega Nomenia, der nicht zu schwer und dennoch
kräftig den 4. und 5. Gang begleitete.
Dazwischen tauchte unser Kellner mit wiederum einem kleinen Auftakt
außer der Reihe, besser gesagt Zwischentakt, auf, nämlich mit einem Gruß
aus Hamburg, dem Labskaus. Wissler hatte daraus eine fein ausgetüftelte
Variante gezaubert. Ein Kabeljaustück zusammen mit kunstvollem Rote
Bete-Mosaik, das so rot war, dass es auch Kirschen hätten sein können,
dazu wurde aus einer Flasche eine trübe Flüssigkeit aus Matjessud und
Apfelkernöl gegossen. Auf einem Extrabrettchen wurde auf einem krossen
Stück Brot gezupftes Kabeljaubäckchenbrandade gereicht. Beeindruckend,
mit welchem Phantasiepotential an solch ein Gericht herangegangen wurde.
Ich würd' gern Zungenmäuschen sein, wenn sich Sternekoch Wissler jemals
an unser weiteres Nationalgericht Birnen, Bohnen und Speck jemals wagt.
5.) Das Milchferkel (Bohneneintopf: gegrillte grüne Bananen & Curry-
Macadamianuss) war wunderbar saftig, aber das Kotelettchen ließ sich
schlecht schneiden, ohne dass es zäh gewesen wäre. Aber das alles war
mit einer Soße umgossen, die süchtig machen könnte. Davon einfach
täglich einen halben Liter und dann krosses Brot reintunken und die Welt
würde keine Kriege mehr führen. In einer extra dazu gereichten Schale
war köstlicher bunter Bohneneintopf mit zarten weißen Bohnen und
Fleischstückchen. Faszinierend, wie leicht das alles mundete, ohne auf
würzigen wuchtigen Geschmack verzichten zu müssen. Keine Ahnung, wie die
Küche das hinbekommt.
6.) Meist ist man vor dem Dessert schon so gesättigt, dass der sog.
Appetitbonus nicht mehr hilft, um sich mit viel Elan auf den Nachtisch
zu stürzen. Insoweit hat es ein Dessert immer schwerer, genauso
enthusiastisch gewürdigt zu werden, wie die ersten Gänge eines Menüs.
Wenn es also einer Küche gelingt, am Ende nochmals, umgangssprachlich
ausgedrückt, "aufzudrehen", dann ist meine Hochachtung noch intensiver.
Genau das gelang Wisslers Küchenmannschaft spielend.
Ein leichtes Dessert namens Williams Christbirne (Weißalgen-Crèmeeis &
Ingwergelee) bestand aus hauchfein geschnittener Birne, die zuvor, ich
frag mich wie, so behandelt wurde, dass sie danach noch mehr nach Birne
schmeckte, dazu Traubenhälftenformen aus Ingwergelee, eine weisse Mousse
begrub eine feine Schokoladencreme. Und es lag ein Nocken
Weißalgencremeeis auf dem Teller, welches nicht den Weißalgengeschmack
preis gab, wobei ich ich nicht einmal weiß, wie Weißalgen schmecken,
sondern es schmeckte wie feinstes Sahnejoghurteis.
Der Clou zu diesem Dessert war ein Birnencidre, nämlich der 2013er Poire
Granit von E. Bordolet aus der Normandie. Ein süffiges Birnengetränk -
wenn man die Nase ins Glas steckte, duftete es würzig nach Birnen.
Dann folgten die süßen Abschlüsse:
Ein Macaron (Passionsfrucht), so lecker, dass ich davon am liebsten
einen ganzen Karton voll mit auf die Rückreise genommen hätte. Es war
fruchtig, süß und ein perfektes Gebäckstück, wie es wirklich besser
nicht geht.
Das Magnum Royal (Marc de Champagne) entpuppte sich als ein Eis am
Stiel. Außen silberfarbenes, darunter weißschokoladiges, darunter
cremiges Sahneeis, das schnell gegessen war.
Die Zuckerschnäuzchen waren tatsächlich kleine rosa Ferkelgesichtchen
aus marshmallowähnlicher Konsistenz mit Himbeerfruchtgeschmack. Ein
witzig anzusehender Abschluss, der obendrein wunderbar schmeckte.
Zusammen mit unserem ebenfalls tadellosem Cappuccino und großem Espresso
(zu je 6 Euro) wurden Pralinen als kugelige Geschmacksbömbchen mit ganz
unterschiedlichen Geschmacksrichtungen serviert. Was ein Genuss! Und das
am Ende eines Menüs, wenn man eigentlich gar nichts mehr essen mag. Ein
großes Kompliment an die Küche, die mit diesen überzeugenden Pralinen
dafür sorgte, dass wir uns dazu verführen ließen, weitere zu probieren.
Nach all diesen Beschreibungen darf mein Fazit am Ende ganz schlicht
ausfallen: Ein großes Lob an Joachim Wissler und seine gesamten
Mitarbeiter für all das Beeindruckende, was sie auf den Tisch brachten.
Genussanwältin
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Dieser Gourmettempel residiert hoch
über der Stadt, und residieren ist ausnahmsweise nicht ironisch gemeint:
Das Vendôme befindet sich im trutzigen, ehemaligen Kavaliershaus des
Schlosses Bensberg.
Dass Joachim Wisslers Küche über jeden Zweifel erhaben ist, berichten
die Gastroführer seit Jahren - jetzt wissen wir es aus eigenem Erleben.
Wir wählten im Mai 2018 das Sparfuchs-Menü, das mittwochs und
donnerstags offeriert wird und das im Gegensatz zum normalen
Frühlingsmenü eine Weinbegleitung und Kaffee zum Preise von 230,- € pro
Person beinhaltet. Eine gute Wahl, wie sich zeigen sollte.
Der Gast sitzt bequem auf eng umfangenden, drehbaren Sesseln, wie sie
offenbar gerade en vogue sind. Ohne Hilfe kann man sie nur unter Aufgabe
jeder Eleganz verlassen.

Nach einem feinen Champagner kamen die kleinen Küchengrüße, jeder für
sich optisch und kulinarisch ein Kunstwerk. Nun werden nicht alle Gäste
Wagyu-Rind in Chipsform originell finden, wir aber hätten gern eine
große Tüte davon mitgenommen. Beim Thunfischfilet in
Salzpflaumenvinaigrette dürfte es allerdings keine zwei Meinungen geben.

W A G Y U B E E F „ J E R K Y “ & G A Z P
A C H O M A R S H M E L L O W

T H U N F I S C H I N S A L Z
P F L A U M E N V I N A I G R E T T E
& C H I L L I A I O L I

R Ä U C H E R A A L & D E H Y D R I E R T
E O K R A S C H O T E
Gut gefallen haben uns die reichlichen Wahlmöglichkeiten; während
anderswo inzwischen nur noch ein einziges Menü angeboten wird, hat der
Gast selbst bei diesem 'Status Quo' genannten Menü ein breit gefächertes
Angebot.
Geradezu himmlisch: Langoustine & Süßkartoffel in einem unfassbar
würzigen Sud aus Möhren, Ingwer, Masala-Tandoori und Kernöl:

Die Gänseleber mit feinstem Muskatkürbis und göttlicher Haselnusscrème
als weitere Vorspeise kam dunkel glasiert und entsprechend aromatisch
daher, verwirrte aber ein wenig durch ihre seltsam schlabberig-wässrige
Konsistenz. Mit einem passenden Weinschluck (feinherber Riesling mit 9%
Alkohol) war dieser einzige Patzer des Abends schnell vergessen:

Zunächst unangenehm überrascht waren wir dann vom dargebotenen Sauvignon
Blanc, der sich durch bemerkenswerte Geschmacksfreiheit auszeichnete.
Die Überraschung legte sich, als dazu der wahnsinnig saftige, leicht
sesamlastige Zander serviert wurde, der nach einem solch' faden Tropfen
geradezu schrie. Genial!

Mit einem Perlhuhn würde wohl auch ein Anfänger am Herd fertig werden,
hier kam es in Perfektion auf den Teller: Geballte Knusprigkeit und dazu
allerbesten Baby-Pak Choi sowie das extra servierte, zart auf der Zunge
schmelzende Herz. Auf der Karte hieß das, warum auch immer, 'Rillettes
im Hühnerstall' und wurde, wohl als Reminiszenz an überkandidelte
Manierismen der späten Molekularküche, auf einer Art strohgefülltem
Mini-Hühnerstall aus Holz serviert. Im Glas dazu gab es einen
ungewöhnlich gefälligen Shiraz aus Südafrika.
Nicht weniger perfekt der Lammteller, wobei sich das rosa Rückenstück am
Messer noch widerborstig gab, im Mund aber mit Saftigkeit und Aromafülle
für Seligkeit sorgte. Dazu passte der wahrhaft kraftvolle Rioja. Seine
Meisterschaft der klassischen Küche zeigte Wissler mit der schlichten
geschmorten Lammschulter, die ich in so feiner Qualität und dermaßen
konzentriert noch nie bekommen habe. Normalerweise wird derlei als
deftige Variante serviert:

Zum vollkommenen Glück fehlte dann nur noch der Nachtisch, der über
göttliches Hibiskussorbet, extrem luftige Luftschokolade (gebrannte
Mandel), Liebesäpfel und Vanille-Blaubeer-Magnum-Eis keine Wünsche offen
ließ:




Zum Abschied holte sich der Meister ein paar praktische Küchentipps vom
Genussgenie und signierte zum Dank ein Kochbuch.



Blick in die Küche
Vendôme
im Schloss Bensberg
Kadettenstrasse
51429 Bergisch Gladbach
Tel. 02204 420
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