Landhaus Scherrer
Schwellenangst und Angst um den Geldbeutel lassen viele
Zeitgenossen einen Bogen um bekannte Gourmet-Tempel machen. Als von
Geburt an mit gesunder Arroganz gesegneter Hamburger kenne ich zwar
keine Schwellenangst vor dicken Teppichen, wohl aber die begründete
Angst um meinen schmalen Geldbeutel.
Hamburg, an der Elbchaussee 130, eine noble Adresse mit Elbblick.
Im Landhaus Scherrer, das bis 1975 der Elbschloss-Brauerei gehörte, wird
der Gast freundlich im Vorraum in Empfang genommen und zum Tisch
geleitet. Das gestaltet sich alles sehr unkompliziert, man sitzt bequem,
ja gemütlich und auch sensible Gemüter verlieren schnell ihre
Edelrestaurant-Beklemmungen. Sofern sie nicht in Flicken-Jeans
erschienen sind.
Ein etwas altbackenes Ambiente mit wirklich dicken, schallschluckenden
Teppichen lässt ein Gefühl aufkommen wie in Omas Wohnzimmer, im
positiven Sinne. Eben typischer, pastellfarbener Landhaus-Stil.
Die tolle Akustik hat mich beeindruckt, trotz nicht vorhandener
Hintergrundmusik sind Gespräche am Nachbartisch nicht zu verstehen und
man muss nicht flüstern.
Möglichen Einfällen, die Einrichtung mit jungen, wilden Edelstahlteilen
oder kalten Neonröhren aufzupeppen, hat man wohlweislich widerstanden.
Es gibt Kritiker, denen zufolge Architektur und Kochkunst in diesem
Hause auf hohem Niveau stagnieren, aber eben stagnieren.
Der Gault Millau 2003 hat diesem Restaurant 17 von 20 Punkten verliehen,
wohl zu recht. Der freundliche Service ist aufmerksam, ohne ständig mit
‚Sehr wohl !’ zu nerven, Gläser werden stets zeitig nachgefüllt und
niemand muss verdursten.
Die vor der eigentlichen Mahlzeit servierte 3 Sorten Brot waren ganz
lecker, die Butter wies allerdings noch eine gewisse
Kühlschrankfestigkeit auf. Das Menü selbst wurde dann auf Tellern mit
erotischen Motiven serviert, da blitzen blanke Busen. Offenbar sieht
sich das Haus Scherrer als Palast sinnenfrohen Lustgewinns.
An der Kochkunst selbst gibt es nichts zu bemäkeln. Seit etwa 27 Jahren
auf der Speisekarte, ist die ‚krosse Vierländer Ente mit Spitzkohl,
Sellerie und Bergpfeffersauce’ ein Klassiker und einfach grandios.
Derart zartes und saftiges Entenfleisch habe ich noch niemals vorher
gegessen. Marmeladisierte Rhabarberstücke gab es dazu, das harmonierte
ausgezeichnet und gemahnte keinesfalls an die berüchtigte Ente-süß-sauer
beim Billig-Kantonesen.
Formvollendet serviert wurde vom zu Scherzchen (‚Ente ist aus, ich
bringe falschen Hasen, der ist von Ostern übrig und muss weg’)
aufgelegten Chef Heinz Wehmann selbst. Sämtliche Speisen sind so
dekadent dekoriert, dass selbst ein geübter Gourmand die filigranen
Kreationen nur ungern mit grober Gabel zerstören mag.
Meine Empfehlung gilt auch dem ‚Dorschmedaillon in einer Senfkruste auf
Graupenrisotto mit Sauce amoricaine’, sehr aromatisch und auf den Punkt
gegart, besser geht es sicher nicht. Graupen waren in meinem Elternhaus
verpönt, denn die gab es wie Steckrüben in der vielzitierten ‚schlechten
Zeit’ und munden angeblich nicht. Tun sie aber bei Scherrer doch.
Zartester Fisch und nicht zu milder Senf ergänzen sich einfach
traumhaft. Ich wäre sicher ein paar Jahre länger bei meiner lieben Mutti
wohnen geblieben, wenn ich derartige Kreationen gelegentlich auf meinem
Teller vorgefunden hätte.
Die ‚Spargelnudel und Tagliatelle von Büsumer Krabben mir Bärlauchpesto’
war zwar lecker, aber auch recht gewagt – wäre der noch ziemlich feste
Spargel auch nur leicht bitter gewesen, hätte man den ganzen Teller
wegkippen müssen. Musste man aber nicht, das Bärlauchpesto war umwerfend
aromatisch und hübsch mit einem riesigen Bärlauchblatt garniert. Die
Krabben waren arg klein und leicht abzuzählen, aber dafür die Nudeln frisch
und bissfest.
Nachtisch war auch gekonnt, gut gefallen hat mir die
‚Schokoladenvariation mit Tarte, Schokoladen Sorbet und
Portweinfrüchten’, auch wenn auf meinem Teller nur eine einzige, halbe
Portweinfrucht (Pflaume) zu finden war. Aber Gourmet-Tempel sind eben
auch dadurch gekennzeichnet, dass keine Holzfäller-Portionen serviert
werden. Eine beinahe schwarze, sehr feine Schokoladenmousse dürfte auch
für solche Menschen ein überragender Genuss sein, denen dunkle
Schokolade ansonsten ein Gräuel ist.
Die gebotene Weinauswahl ist groß und edel, da bleiben keine Wünsche
offen. 640 Positionen mit etwa 12.000 Flaschen sind für den, der Aldis
Wein aus der Brickpackung verabscheut, verfügbar und werden vom
fachkundigen Sommelier wie aus dem Bilderbuch kredenzt. Zuweilen gibt es
Menü-Angebote inklusive Wein, da ist dann wirklich alles optimal
aufeinander abgestimmt und ein echter Genuss.
Freunden der amerikanischen Krimiserie ‚Columbo’ rufe ich einen Satz aus
der Folge ‚Wein ist dicker als Blut’ zu:
Wenn Sie nach dem Preis fragen müssen, ist es für Sie zu teuer!
Unter 100,- Euro ist kaum ein Menü zu bekommen, Getränke natürlich
extra. Im Bistro gibt es 3-Gänge-Menüs ab 35,- Euro. Samstags bietet der
Patron für 130,- Euro Kochkurse an - die sind nach meiner Erfahrung
lehrreich und amüsant.
Überprüfungen im November und Dezember 2006
haben ergeben, dass Herr Wehmann auch nach der Renovierung des Hauses
das Kochen nicht verlernt hat - seine Gänsebraten, seine krosse
Vierländer Ente, aber auch Rehgeschnetzeltes oder gebackener Fisch
gelingen hervorragend - die Abwertung im Gault Millau auf 'nur' 16
Punkte ist für mich nicht nachvollziehbar.
update Juli 2008: ja, sind wir denn hier an der
Costa Brava? Nein sind wir nicht, aber es hat den Anschein als wären
Heinz Wehmann samt Mannschaft für ein paar
Lehrstunden bei Ferran Adria zu Gast gewesen. Und sie müssen sich hinter
dem
Meister aus Spanien nicht verstecken, haben sie sich doch ausschließlich
zu echten
Leckereien inspirieren lassen und Adrias unsäglichen Austernjoghurt
jenseits der
Pyrenäen ignoriert. Das Menü im einzelnen:
* Grüße aus der Landhaus Küche: 5 verschiedene Petitessen als
Gaumenkitzler
* Gratiniertes Filet vom weißen Heilbutt auf Erbsenpüree mit
Melonengemüse und
Lavendelaroma
* Krosser Spanferkelbauch auf gestowten Schneidebohnen, Grenadine
Schalotten,
Hopfensauce
* Molekulare Dessert Variation Selektion August mit Nitros, Sorbet von
Beerenfrüchten
und Thymianluft
Es gab sogar 6 Küchengrüße, von denen besonders Espuma von Sellerie und
der
Lavendelkaviar beeindruckten, mit 'Gaumenkitzler' wurde nicht zu viel
versprochen.
Lavendel fand sich auch im zweiten Gang (als Schaum) am wunderbar zarten
Heilbutt und das zugehörige Erbspüree war mehr ein gelungener, unsämiger
Erbsenpudding. Für die gehobene Küche gewagt fand ich den folgenden
Spanferkelbauch. So recht wollte mir diese Kreation nicht in das
molekularkücheninspirierte Gesamtmenü passen. Jedoch
gab es an diesem Teller nichts zu kritteln, wunderbar knusprig und
aromatisch zerging der Haps im Mund. Es gab tatsächlich nur einen Haps.
Er passte insoweit zur Küche Ferran Adrias, als der bekanntlich auch
versucht, Allerweltszutaten oder verpönte Gerichte für den verwöhnten
Gaumen genießbar zu machen. Der Nachtisch erwies sich als ungewöhnlich
unterhaltsam, am Tisch wurden kleine Leckereien mit rund -195 °C Grad
kaltem Stickstoff geeist und serviert. Für mich hat die Küche vom
Scherrer damit deutlich bewiesen, dass sie nicht nur perfekt die
klassische 'krosse Vierländer Ente', sondern auch Neues und sogar
Amüsantes auf hohem Niveau präsentieren kann. Ach ja: € 29.50 hat das
Menü oben gekostet.
Auch Ende Dezember 2008 hatte Heinz Wehmann
nichts von seiner Kochkunst verlernt, die Ente in zwei Gängen macht ihm
wirklich keiner nach - wunderbar kross und zart und saftig, einfach
perfekt. Nicht ganz so perfekt funktionierte der gut aufgelegte Service,
trotz telefonischer Menübestellung dauerte es bis zum ersten Gang (das
war die Brust) über 70 Minuten. Man sitzt ja sehr nett da vor den
erotischen Tellern, aber bis zum zweiten Gang (Keule) musste ich wieder
40 Minuten hungern und das, obwohl das Restaurant nur zu 2/3 ausgebucht
war.
Antiquarisch ist gelegentlich '
Ochsenschwanz
und weiße Trüffel. Das Hamburger Landhaus Scherrer und seine Küche'
(1996) zu bekommen. Hübsch, aber obacht bei den Mengenangaben in einigen
Rezepten - durch Druckfehler gibt es böse Überdosierungen, z.B. beim
Essig.
oben die üblichen Teller mit erotischen Motiven
Landhaus Scherrer
Elbchaussee 130
22763 Hamburg
Tel.: 040 - 88 30 700 30
Gelegentlich bietet Heinz Wehmann außerhalb des Restaurants
Kostproben seines Könnens, beispielsweise im Rahmen des
Hamburger Food Market im
frühen Herbst. Natürlich darf da die 'krosse Vierländer Ente' nicht
fehlen, im September 2010 konnte sie für 8,- Euro verkostet werden, mit
Bergpfeffersauce und Chinakohl. Wenngleich vorgegart, kam da doch ein
ziemlicher Genuss auf den Teller:
nach oben
Gelegentlich bieten Restaurants eine
günstige Möglichkeit, ihre Küche zu
versuchen. Im August 2010 probierten wir einen Gutschein von
Citydeal
für ein
4-Gänge Überraschungsmenü zum Preis 44,50 Euro (statt 89,-), ohne
Getränke.
Das Landhaus Scherrer war an diesem Samstag bis auf den letzten Platz
ausgebucht, was dazu führte, dass wir mit dem zweiten Gang erst nach 2
Stunden
durch waren - an den engagierten und humorvollen Servicekräften lag das
nicht.
Zunächst gab es 5 kleine Grüße aus der Landhaus Küche (Gazpacho mit
Wacholderschaum / Tomateneis mit Gin-Marshmallow / Tomatenmousse /
Schnitte
von Zebratomate mit Dill / Kalbfleischpflanzerl mit Knoblauch), wobei
Gazpacho
und Tomatenmousse am meisten überzeugten. Originelle Häppchen. Dem
Marshmallow war der Gin jedoch nicht anzuschmecken, dafür zeigte sich
die
Zebratomatenschnitte als knallige Dill-Orgie:
Als kulinarische Großtat ist das eisgekühlte
Hummersüppchen mit Melone
einzuordnen, herrlich frisch und trotz der Kälte von
zungenschmeichlerischem
Aroma - das schrie nach einem Da capo!
Völlig unscheinbar, geradezu nichtssagend
fand ich den Schellfisch auf Erbspürree. Am auf den Punkt gegarten Fisch
gab es zwar nichts zu bemängeln, aber addiert mit langweiligen Erbsen
plus Erbsenmatsch war das Ergebnis kein Highlight. Der Teller lebte,
auch farblich, bloß von den erbsgroßen Minitomaten, die mit ihrer
leichten Säure einen belebenden Kontrapunkt setzten. Hervorragend
allerdings mundete dazu der empfohlene 2008er Grauburgunder aus der
Pfalz, wie überhaupt den Empfehlungen des Sommeliers großes Lob gebührt.
Obschon als Überraschungsmenü angekündigt,
überraschte der Hauptgang nicht -
Scherrers krosse Vierländer Ente auf Mangold und Tomaten-Konfit. Das
kann Heinz
Wehmann, für seine Enten wird er zu recht geliebt. Die Ente, aussen
knusprig und
innen saftig, war über jeden Zweifel erhaben und das Tomaten-Konfit
passte mit
seiner süß-säuerlichen Schärfe hervorragend dazu - ganz im Gegensatz zum
hoffnungslos versalzenen Mangold, der in dieser Form gerade noch eßbar
war. Eine
nicht zu schwere Cuvée aus Spätburgunder und Merlot tröstete.
Zum Finale wurde Crème Caramel mit DeKuyper
Sherry Brandy Mousse und
Bickbeereis serviert: Guter Durschnitt, aber nichts besonderes - am
besten hat uns
das cremig-fruchtige Eis geschmeckt:
Trotz kleiner Mäkeleien hatte dieses Angebot
ein sensationell gutes
Preis/Genussverhältnis, deutlich besser noch als der ebenfalls
empfehlenswerte
Schlemmersommer.
Schlemmersommer 2011
Hamburger, die auf sich halten, speisen
gerne in ihrem zweiten Wohnzimmer,
im Landhaus Scherrer. Im Sommer gibt es oftmals besondere Menüangebote,
die sich auch Normalverdiener leisten können - 2011 war es dieses Menü:
* 5 kleine Grüße aus der Landhaus Küche
* Plöner Zander mit Plockfinken
* Scherrers krosse Vierländer Ente mit Senfkohl und Tomaten-Confit
* Quarkknödel aus der Wilstermarsch mit Erdbeeren und Holunderblüten-Eis
zum Preis von 59,- Euro für zwei Personen. Getränke extra, wir nahmen
zur
Vorspeise den vom netten Kellner empfohlenen Riesling, der mit
deutlicher
Zitrusnote überzeugte. Zum Hauptgang, der Ente, hatten wir eigentlich
einen
Rotwein erwartet, statt dessen wurde aber weiter der Riesling
nachgeschenkt.
Vor der zweiten Wasserflasche hätte man ruhig nachfragen dürfen, wir
hätten
wohl zugestimmt. Vielleicht war der Service nervös, weil am Nebentisch
ein
ehemaliger Ministerpräsident von Schleswig-Holstein speiste.
Die 5 Grüße aus der Küche bestanden aus kräftigen und milden Variationen
vom Reis, ein origineller Einstieg, wenngleich keine Variante völlig
überzeugte.
Nicht minder originell die Idee, als Vorspeise ein Stück Zander auf
Plockfinken
zu servieren, ein Bremer Gericht mit Möhren und vielen verschiedenen
Bohnen.
Bereitete der Zander dem Gaumen durchaus Freude, kann derlei vom
Plockfinken nicht behauptet werden. Die Brühe war nett, das Raucharoma
ebenso, aber letztlich ist dieses mit Bohnen überladene Gericht völlig
zu Recht
ausgestorben und vergessen, wenn nicht einmal ein Könner wie Heinz
Wehmann daran etwas rettet:
Erwartungsgemäß überzeugte die krosse Vierländer Ente, wer sie noch
nicht
versucht hat, weiß nicht, wie saftig, knusprig und aromatisch sie sein
kann. Eine
ähnliche Qualität liefert eigentlich nur noch Jacobs Restaurant ein paar
hundert
Meter weiter stadtauswärts. Nicht umsonst findet sich die Ente seit
Jahren auf
der Karte, mit unterschiedlichen Beilagen. Normalerweise klappt auch das
Tranchieren, so dass man neidisch wird beim Zusehen, doch diesmal hatten
wir Pech und unschöne Knochen im Fleisch. Einen Trost bot das
bemerkenswert pikante
Tomatenconfit, davon blieb nichts auf dem Teller:
Der Nachtisch mit den leichten Quarkknödeln war hübsch anzusehen und
passte
zu den sommerlichen Temperaturen - die angekündigten Holunderblüten
jedoch
waren dem wunderbar weichen Eis keinen Moment anzuschmecken.
Holünderblütenaroma gibt es ohnedies mehr als leise Ahnung, als
Andeutung.
Reife, marinierte Erdbeeren mit ihrem kraftvollen Charakter lassen dafür
einfach
keinen Raum:
Insgesamt lohnt ein Besuch im Zweitwohnzimmer allemal! Und neue
erotische Teller der Edition 2010/2011 gibt's auch:
Schlemmersommer 2012: Böse Zungen könnten einwerfen, dass die
Menügestaltung etwas eintönig sei - jeden Sommer gibt es die krosse
Vierländer Ente. Aber soll man dem Meister wirklich vorwerfen, bei
dieser Gelegenheit sein Highlight auf den Teller zu werfen? Wegen der
Ente kommen doch ohnehin die meisten Gäste. Na gut, auch wegen des
geeisten Hummersüppchens ...
Bickbeerpfannkuchen
Ein rundum gelungenes Bio-Menü mit passenden Bio-Weinen!
Wer sich 2013 erstmals als Gourmet-Anfänger in einer
Sterneküche versuchen möchte, kommt an diesem
Schlemmersommermenü-Angebot des Landhauses Scherrer zum Preis von 59,00
Euro für 2 Personen ganz sicher nicht vorbei - und geübte Feinschmecker
wissen ohnedies ganz genau, was sie hier tun:
Bio-Tomaten-Gruß à la Wehmann
Bio-Salate mit hausgebeiztem St. Patrick Bio-Lachs
Krosse Vierländer Ente (konventionell) mit Bio-Gemüsen und entkernten
Kirschen
Bio-Crème-Brûlée mit Knusperboden und marinierten Bio-Früchten
Über die Kochkunst des Hauses wurde weiter oben schon ausreichend
berichtet, das Bio-Menü ist ohne Abstriche eine Empfehlung wert. Obwohl
Wehmanns krosse Ente hinsichtlich Zartheit, Saftigkeit, Aroma und
Knusprigkeit schon lange das Maß der Dinge ist, hatten wir diesmal sogar
den Eindruck einer Steigerung - da machte sich andächtige Stille am
Tisch breit. Wunderbar dazu die buttrig aufgeschäumte und dennoch leicht
wirkende Sauce (Zitat Wehmann: "Nicht von Unilever!"), die es in solcher
Vollendung selbstverständlich nicht als Fertigprodukt zu kaufen gibt.
Erwartungsgemäß kamen auch der Tomatengruß und der Fischgang auf hohem
Niveau daher, der Lachs überzeugte mit traumhafter Sushi-Qualität, der
Salat mit Knackigkeit.
Lecker war auch der Nachtisch, die Creme hatte man mit einer Kruste aus
Erdnüssen unterlegt - eine originelle Idee!
Die Getränkepreise gehen für Sterneniveau in Ordnung (2009er Pesquera
Crianza 59,- €, Espresso macchiato 3,80), der Service allerdings schien
uns noch ausbaufähig. Wein wurde so selten nachgeschenkt, dass wir
beherzt zur Selbsthilfe griffen. Und der kühn hingestreute Satz "Wir
machen jetzt zügig mit dem Nachtisch weiter" bedeutete eine Wartezeit
von einer guten dreiviertel Stunde.
Insgesamt war es aber doch ein sehr lohnender Besuch.
nach oben
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Was im
eigenen Restaurant so richtig stören kann, sind Gäste. Die können
echt nervig sein. Sie erscheinen einfach, wann sie wollen und bestellen
dann auch noch nach Gutdünken, manche haben Ansprüche. Voll ätzend, so
was. Viele Leute kommen sogar immer wieder, teilweise rotzfrech mit
Reservierung. Schlimmerer Sand im Getriebe ist für einen exakt
funktionierenden Betrieb kaum vorstellbar, wird man sich bei den
gebeutelten Wehmanns gedacht haben. Und zu Recht! Aber was tun in einer
so verfahrenen Situation? Was genau könnte für potentielle Kunden eines
Sternerestaurants dermaßen abschreckend sein, dass sie endlich
konsequent fernbleiben und die wunderschönen erotischen Teller nicht
mehr beschmutzen, fragte man sich mit sorgenvoll gerunzelter Stirn.
Lange Nächte grübelte man hin und her, wog eine deftige Eintrittsgebühr
ab, verwarf dieses und jenes. Bis endlich die eine, die wirklich
zündende Idee kam: Was Menschen bekanntlich überhaupt nicht schätzen,
sind Tickets für's Rasen oder Falschparken. Also, entschied man sich, verteilen wir vom
Landhaus Scherrer doch selbst solche Tickets!
Gesagt - Getan!
Wer beispielsweise einen Tisch für das Schlemmersommer-Menü 2014
reserviert, bekommt nicht nur online eine Reservierungsbestätigung,
sondern extra ein 'Ticket' per Briefpost im Din A5 Umschlag (1,45 €
Porto). Ohne Anschreiben hält der Möchtegern-Esser das Ticket sowie eine
Rechnung (88,50 Euro) samt Überweisungsbitte und Kontoverbindung in
Händen.
Eine telefonische Nachfrage ergab, dass kein Irrtum vorliegt und dass
eine Reservierung tatsächlich nur noch per Vorkasse möglich ist. Wir
stornierten sofort unsere Reservierung für Ende Juli, was der
Mitarbeiter mit einem tiefen Erleichterungsseufzer und großer Freude
aufnahm - endlich Entlastung für die gestresste Küche! Das fein
ersonnene Gäste-Vertreibungsprogramm namens 'Ticket' funktioniert völlig
unbürokratisch und einwandfrei, wir ziehen den Hut!
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In den Zeiten
von Corona überlegt man ja doch, wo man risikoarm am besten speist,
welcher Patron die Regeln am ehesten umsetzen könnte und eine nicht
allzu ausgedünnte Karte bietet. Nach kurzer Überlegung fiel uns als
erster Heinz Wehmann ein - und wir wurden bei unseren mehrfachen
Besuchen von Juli bis Oktober 2020 nicht enttäuscht.
Zwar gibt es im Landhaus Scherrer statt des
7-Gänge-Menüs momentan nur fünf Gänge, dafür offeriert die Karte
allerlei Leckeres aus der bisherigen Bistrokarte. Alle drei Restaurants
(Landhaus Scherrer, Wehmanns Bistro, Ö1) wurden ja auch vordem aus
derselben Küche bestückt. Das ganze Haus bietet innen wie aussen (auf
der Terrasse vom Ö1) viel Platz, sodass Abstände gut eingehalten werden
können.
Aus dem besternten Gourmetbereich versuchten wir die Oevelgönner
Fischsuppe ( € 19,50), eine klare Suppe mit Nordseefischen und Safran,
dazu geröstetes Brot und Gewürz-Crème und konstatieren: tadellos!
Vollmundig, würzig mit zarten, saftigen Filetstücken und Muscheln.
Die Gerichte aus der Bistrokarte bieten gepflegte Hausmannskost auf
wirklich hohem Niveau. Man denkt unwillkürlich, Mensch, das schmeckt ja
alles genau wie damals bei Muttern, nur eben sehr viel leckerer und
feiner.
nach oben
Ob Nordseescholle, Hummer-Suppe mit Hummer-Medaillons (23,50 €),
Roastbeef mit Bratkartoffeln, Geröstete Grützwurst mit Apfelkren,
Zwiebeln und Kartoffel-Püree (19,50 €), Wiener Schnitzel mit
Bratkartoffeln und Gurkensalat (28,50 €) - alles kam in optisch,
technisch und aromatisch einwandfreier Qualität auf den Tisch. Da
verwundert die große Zahl an Stammgästen, die natürlich auch wegen der
'krossen Vierländer Ente' hereinschauen, nicht.
Als enttäuschend empfanden wir das geschmacksarme Mini-Stückchen vom
lauwarmen Apfel-Strudel mit einer homöopathischen Dosis Vanille-Sauce
und einer Kugel Vanille-Eis, für immerhin stolze 14,50 €.
Zu empfehlen sind dagegen die wunderbar
schmelzigen, geschmeidigen Eiskugeln (4,50 € / Stück), besonders in der
Variation 'Salted Caramel': Eine einzige Wonne!
Hervorragend kräftigen, aber gleichzeitig
weichen Espresso bekommt man auch, meistens serviert mit einer bunt
bestückten Etagere.
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Und in Coronazeiten 2021 - Sterneküche zum Abholen:
nach oben
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Anfang Juni 2021 war zumindest
Außengastronomie möglich - und das Landhaus Scherrer präsentierte sich
auf seiner Terrasse mit kleiner Karte in Bestform. Als Gruß aus der
Küche bekamen wir eine kalte, würzige Tomatensuppe:
Es war seltsam, wie schnell wir nach langer, pandemiebedingt erzwungener
Enthaltsamkeit hier ein Zuhause-Gefühl entwickelten; als wäre nichts
geschehen: Chef samt Personal gut aufgelegt und freundlich, Speisen
erstklassig.
Als Hauptgang sollte es Fisch sein, der Genusspapst wählte
Steinbutt auf Spargel mit Salzkartoffeln, das Genussgenie die gebratene
Maischolle mit Speckstippe und Bratkartoffeln.
Alles tadellos und mit hohem Wiedererkennungswert, der Grauburgunder
passte.
Wohl auch angesichts des eher gesetzten Publikums unter der in
Jahrzehnten gewachsenen Stammkundschaft setzt die Küche eher auf
Bewährtes denn auf Avantgarde - gut so!
Das Salted-Caramel-Eis zum Nachtisch war wie üblich zum Niederknien, die
kleinen Windbeutel kamen etwas müde und leicht zäh daher, dafür
überzeugten die marinierten Erdbeeren.
Man sitzt nach wie vor nett dort auf der Terrasse, allerdings wurden
kürzlich die riesigen Büsche und Bäume zurechtgestutzt, sodass sie nicht
mehr als Sicht- und Lärmschutz fungieren und eine Unterhaltung durch die
Autos an der großen Kreuzung vorm Grundstück durchaus gestört werden
kann. Vielleicht wächst sich das wieder zurecht.
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Seit Jahrzehnten bekommt man hier feine Speisen auf Sterneniveau - es
ist doch höchst erfreulich, wenn manche Dinge genau so bleiben, wie sie
immer waren.
Mitte November 2022 bekamen wir diese auf den Punkt gegarten Gerichte:
Gruß aus der Küche: Ravioli auf warmem
Endiviensalat
Hummersüppchen mit Hummereinlage oder
Büsumer Krabben
Tranche vom Rehrücken mit
Rosenkohlblättern, Kumquats, Steckrübenpüree und Lakritzsauce
Hummer-Ravioli | Graupen-Risotto |
Parmesan-Schaum
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In den
letzten Jahren hat sich das Landhaus Scherrer weiter entwickelt, hin
zu bodenständiger norddeutscher Küche - und dabei sein Sterneniveau
locker gehalten. Da kann man nur den Hut ziehen!
Auch im Dezember 2024 gab es nichts zu bekritteln, das begann schon beim
fischfreien 'Labskaus' als Gruß aus der Küche. Im Grunde ein derbes
Seemannsgericht, wurde es hier, das typische Aroma bewahrend, zu
feinstem Gaumenkitzel:
Ebenfalls erstklassig kam die Wildconsommé daher, offensichtlich hatte
man ihr die nötige Garzeit sehr großzügig gewährt. Effekt: Ein rundes,
ausgesprochen vollmundiges Geschmackserlebnis:
Wild sowie die saftige Gänsekeule 'Hamburger Art' (also gekocht und
anschließend glasiert) überzeugten, beide mit Moosbeeren garniert,
ebenfalls auf ganzer Linie:
Landhaus Scherrer
Elbchaussee 130
22763 Hamburg
Tel.: 040 - 88 30 700 30
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