Marbella
Mein erster Besuch im Marbella liegt über
ein Vierteljahrhundert zurück, an das Essen erinnere ich mich kaum mehr,
Paella kannte ich noch nicht einmal als Begriff. Damals fand ich die
hausgemachte Sangria mit den frischen Früchten und den handgeschnitzten
Girlanden aus Zitronen- und Orangenschalen einfach klasse. Mein Gott,
ich war jung.
Inzwischen hat sich in diesem Souterrain-Restaurant einiges getan, man
sitzt in hell-freundlicher Umgebung und die Karte wirkt nicht mehr
sortenrein Spanisch.
Der frühere Sternekoch Viehhauser setzt
eigene Akzente, und so wird neben Tapas und Paella eben auch Tafelspitz
offeriert. Der Service agiert flott und freundlich.
Wir wollten vorweg einen Sherry, da gab es ohne eine Markenbezeichnung
fino, amontillado und cream, laut Karte originellerweise aus Jerez - der
Stoff, welcher auch immer, war aber in Ordnung. Ebenso wie der Rotwein
des Hauses (8,80 € / 0,5l) und der Rey Santo-Weißwein (5,60 € / 0,2l).
Auf den Tisch kamen grüne und schwarze Oliven, Aioli, Brot und
Paprikastückchen, letztere sorgfältig geschält. Dann grüßte die Küche in
Form einer feinen, nicht zu fetten Entenleberterrine:
Die Vorspeisen:
Tadellos und mit feinem Aroma das Kalbsröllchen (5,60 €), auf den Punkt
gebraten die Jacobsmuscheln mit grandioser Hummersauce, wunderbar
ergänzt durch erstaunlich frisch auftrumpfenden Avocadotartar und fein
aromatische Tomatenfilets im Salat (13,50 €). Zu Begeisterungsstürmen
riss auch die Gazpacho Andaluz hin, eine cremig-weiche Köstlichkeit, auf
deren Oberfläche, wie es sich gehört, unpürierte Zutaten der Suppe
drapiert waren - mit 6,- Euro sicher nicht zu teuer bezahlt. Man bekommt
im Marbella eine ziemlich aufgebrezelte Version der spanischen Küche
geboten.
Kalbsröllchen
Muscheln
Gazpacho
Die Hauptgerichte:
Begnadet saftig und zart, nicht anders lässt sich die Kaninchenkeule in
Sauce von der roten geräucherten Paprikaschote beschreiben.
Hintergründige Schärfe in der fein abgestimmten Sauce verliehen dem
Gericht echte Klasse. Allein die zwar knackfrischen, leicht
angedünsteten, aber leider völlig geschmacksfreien Rettichstücke als
Beilage sorgten für Ratlosigkeit auf den Gesichtern. Überhaupt ergab
erst eine Nachfrage, dass es sich um Rettich handelte, ich hätte auf
eine Kreuzung aus Teltower Rübchen und Kohlrabi getippt.
Nicht minder hochklassig kam die üppige Portion mit drei saftigen Stücke
vom Schweinefilet mit Pinienkernen daher, für Fleischliebhaber unbedingt
eine Empfehlung. Dazu gab es knackige Zuckerschoten und eben auch den
Rettich (17,80 €).
Ganz, ganz still war es vor dem Teller mit dem Jacobsmuschel-Fricassee
mit Scampis und Pfifferlingen (23,50 €) - der Esser war so beeindruckt,
dass er nicht einmal von den anderen Tellern probieren mochte, "um
diesen Geschmack noch ein wenig zu behalten". Ein Extra-Lob für die
Leichtigkeit des Gerichts!
Crema Catalana-Eis mit Krokant als Nachtisch (6,80 €) sollte sich als
eine sehr gute Idee erweisen. Besser jedenfalls als die normale Crema
Catalana (5,- €), die zwar geschmacklich und auch von der Konsistenz her
überzeugte, die aber einfach zu unterschiedliche Temperaturen aufwies:
Teilweise deutlich wärmer als lau, in einigen Bereichen aber
Kühlschrank.
Der Gourmet kommt hier auf seine Kosten, Herr Viehhauser kann oder will
seine Sternetauglichkeit offensichtlich nicht verleugnen. Natürlich wird
hier kein Sterne-Niveau erreicht, an vielen Kleinigkeiten sind die
Sorgfalt und die sichere Routine des Könners aber unübersehbar und
bereiten viel Freude.
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"Ja, der Tafelspitz war schon großes Kino.
Der Josef haut eben immer noch locker den einen oder anderen
Geniestreich raus." Diese formal ein wenig despektierlichen, aber
inhaltlich doch sehr treffenden Worte fielen dem Genusspapst ein,
als er auf dieses 3-Gang-Menü angesprochen wurde, das noch bis Mitte
Juni 2013 gebucht werden kann und von Liebhabern
guter Küche unbedingt gebucht werden sollte - für nur 34,90 Euro inkl.
der Weine:
Aperitif Marina de Vallformosa, Vino de Aguja Blanco oder
Rosado - sehr trocken!
Amuse-Gueule varié
2011
Verdejo Lazarillo, La Mancha D.O. - ein sehr leichter Tropfen
Variación de pescados y marisco:
Jakobsmuschel auf Rote Bete
Seeteufel mit Basilikumpesto
Scampi auf Hummersauce
Lachsfilet mit Wasabicrème
Lachstatar
2009 Rioja Crianza
„Lar de Stomayor“ - kraftvoll, aber süffig und nicht zu schwer
Klassisch in Rotwein geschmorter Kalbstafelspitz mit Gemüsen nach
Jahreszeit und Selleriepüree
Hausgemachtes Crema Catalana-Eis, Schokoladenmousse und
Zwergorangenkompott
Um es kurz zu machen: Ein sensationelles Preis/Genussverhältnis, wohl
auch Dank der Zusammenarbeit mit dem
Weinhändler Rindchen.
Nach dem Gruß aus der Küche (die übliche Entenlebermousse, diesmal mit
auf dunklem Brot unter Quittengelee) folgte ein bunter,
abwechslungsreicher Teller mit Jokobsmuschel, Lachs und anderen frischen
Köstlichkeiten aus dem Meer. Der absolute Kracher sollte jedoch der
Tafelspitz werden - bei Schmorgerichten dieser Art macht dem Herrn
Viehhauser wirklich niemand etwas vor. Selbst in Sternerestaurants
dürfte Tafelspitz kaum in dieser Zartheit, kaum mit diesem Aromareichtum
auf den Tisch kommen: Hut ab! Genial abgestimmt dazu das feincremige
Selleriepüree mit den kleinen Selleriestiften darin. Ich überlege
ernstlich, das Menü noch einmal zu bestellen.
Beim Nachtisch ragte wieder das zartschmelzende Crema Catalana-Eis
heraus, der Rest war guter Durchschnitt.
Für Menühasser hatte das Marbella ein
köstliches Stück Heilbutt (28,- EUR) mit Spargel im Angebot, das
erwartungsgemäß saftig und exakt gegart serviert wurde:
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Im März 2014 versuchten wir dieses Menü:
Hamburg Kulinarisch
Amuse Gueule
spanischer Gruß aus der Küche
∼ ∼ ∼
Vieras / Gambón / Avocado Jakobsmuscheln / Riesenscampi / Avocado
2013 "Añoranza Blanco", Sauvignon Blanc, Bodegas Lozano, La Mancha
∼ ∼ ∼
Salvelino Saiblingsfilet / Olive / Artischocke/Kaper / Kartoffelschaum
2012 Horas de Sol 3024, blanco, Bodegas Santa Catarina, Mallorca
∼ ∼ ∼
Bacalao Skreiloins / Wirsing / Cavasenfsauce
2012 Verdejo DO Prado Rey, Bodegas Prado Rey, Rueda
oder
Ternera
Geschmorte Kalbsbäckchen / getrüffeltes Selleriepüree
Viña Jokin Crianza Navarra DO, Bodegas Marqués de Montecierzo, S.L.,
Navarra
∼ ∼ ∼
Variación de postre Dessertvariation
4-Gang-Menü inklusive Weinbegleitung (je 0,15 l) 49,50 Euro
5-Gang-Menü inklusive Weinbegleitung (je 0,15 l) 54,50 Euro
Weinempfehlung von Rindchens Weinkontor
Auf Anfrage wird das Menü auch ohne Weinbegleitung serviert.
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Die einzelnen Gänge waren tadellos bis hervorragend, jedoch nicht ganz
so liebevoll und filigran auf den Tellern angerichtet wie bislang
gewohnt. Allerdings haben wir auch den Meister selbst den ganzen Abend
über nicht zu Gesicht bekommen - ob's daran lag? Das Personal agierte
jedenfalls wie gewohnt flott, freundlich und unauffällig. Der
'spanische' Gruß aus der Küche entpuppte sich als schmackhaftes
Kürbissüppchen mit Kürbiskernöl:
Absolutes Highlight dieses Menüs war
erwartungsgemäß das geschmorte Kalbsbäckchen: fein, zart, saftig,
vollmundig:
Durch bemerkenswerte Saftigkeit überzeugte
auch der Bacalao vom Skrei (Winter-Kabeljau), es kamen ernstlich Zweifel
auf, ob das wirklich Stockfisch war. Wirsing dazu hätte nicht sein
müssen:
Beim Nachtisch fiel unseren Zungen wie
üblich das Crema-Catalana-Eis mit seinem cremigen Schmelz besonders
positiv auf:
Die Weine wurden von Rindchens Weinkontor ausgewählt, der dortige Chef
bezeichnet sich ja immer wieder gern als 'weinverliebt'. Sein
normalerweise sicheres Händchen hat ihn bei diesem Menü leider fast
gänzlich im Stich gelassen: Allein der Rotwein bereitete Freude. Die
Weißweine überraschten durch die Bank mit weitgehender
Geschmacksfreiheit, selbst zu einem leichten Spargelmenü wären diese
reichlich geschenkten Tropfen viel zu dünn gewesen. Unter angemessener
Weinbegleitung darf wohl etwas anderes verstanden werden als
beispielsweise ein 2013er Sauvignon Blanc, "Añoranza Blanco", der im
Laden knapp 4,- Euro kostet, die er mit Sicherheit nicht wert ist.
Fazit: Das Menü lohnt sich, der Weinempfehlung aber sollte besser nicht
Folge geleistet werden.
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"Meisterkoch Josef Viehhauser hat sich ...
ein wenig Ruhe gegönnt und sich dann voller Vorfreude darauf gestürzt,
für unsere treusten Kunden ein Menü der Sonderklasse zusammenzustellen",
so warb im September 2014 der Veranstalter.
In der Tat konnte sich das Menü sehen lassen:
Warmes Brot/Aioli/marinierte Oliven
Gruß aus der Küche (Kürbissüppchen)
2012er Riesling „Pölicher Held“ Mosel-Saar-Ruwer
Spanische Köstlichkeiten mit Jakobsmuschel, Babycalamares und Scampi
2011er Monastrell
Zweierlei vom Kalb/geschmort und rosa/Sellerie als Püree und
Würfel/Blattspinat
Portwein, Fine Ruby, Douro, Portugal
Mandeltorte aus eigener Herstellung, Zimtpflaumen/Rotweineis
€ 39,50 pro Person inkl. begleitender Weine
Wie schon früher bestachen die Gerichte durch hohe Produktqualität.
Besonders überzeugten uns die butterzarten Babycalamares und das
geschmorte Kalbfleisch. Nicht zu vergessen das Rotweineis zum Nachtisch,
das allerdings mehr mit seiner wahnsinnig weichen Konsistenz als mit
Rotweingeschmack punktete. Die leichten Weine waren eine gute Wahl,
wenngleich keine Kracher.
Kürbissüppchen
Zweierlei Kalb
Rotweineis
Insgesamt schien uns an diesem Abend trotz
allem ein wenig der Pfiff zu fehlen, eine Spur Raffinesse, durch die die
Marbella-Küche bislang hervorstach. Zwischen den einzelnen Gängen gab es sehr lange
Pausen, obwohl z.B. der Nachtisch nur aus
vorbereiteten Zutaten bestand. Die Ursache war schnell ermittelt: Josef Viehhauser schwingt hier wohl schon seit einigen Wochen nicht mehr den
Kochlöffel.
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Wir haben es geahnt: Ohne den Herrn
Viehhauser wird die Küche des Marbella das hohe Niveau nicht wieder
erreichen - und genau so ist es leider gekommen.
Im Mai 2016 merkten wir das anhand dieses, vom
Weinhändler Rindchen mit exzellentem Wein bestückten Menü:
Saludo de la cocina
Unser Gruß aus der Küche (Spargelsuppe):
Variación
Jamón Serrano auf Melone / marinierter Kalbstafelspitz auf Bete /
Rosmarin-Manchegokäse / Salat-Kürbiskernvinaigrette:
Pescado
Gebratene Gamba auf Ingwerseegras / Zander auf roten Currylinsen /
Babycalamares auf Sesam-Pac Choy:
Carne
Geschmorte Rinderbrust / galizisches Schweinesteak-Chutney von roten
Zwiebeln /
Selleriepüree / Zuckerschoten / Rotwein:
Orangen-Karamelflan
Marinierte Erdbeeren / Krokant / Schokocreme:
39,50 € pro Person inklusive 1 Flasche Rotwein 2012 Rioja Crianza,
Bodegas Muriel, Rioja, Spanien für 2 Personen
Man sitzt natürlich nach wie vor nett in
dieser spanischen Institution Hamburgs, Empfang und Bedienung sind sehr
freundlich - und doch zeigt die Darbietung auf dem Teller nichts mehr
von der früheren Souveränität und Klasse. Waren Tafelspitz noch von
akzeptabler und Zander noch von feiner Qualität, enttäuschte das Fleisch
auf zwei von unseren drei Tellern mit Sehnen und Festigkeit.
Freunde spanischer Küche werden hier nach wie vor auf ihre Kosten
kommen, besonders angesichts des günstigen Rindchen-Preises, aber
Großartiges sollten sie auf den Tellern nicht mehr erwarten.
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Inzwischen arbeitet das 'Marbella' unter
einem neuen Betreiber. Sobald wir wieder vor Ort waren, finden sich hier
aktuelle Einschätzungen.
Marbella
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