L'Arnsbourg

 

Wenn wir schon beim Standort des Le Cygne den Eindruck hatten, dass wir in einer Gegend sind, wo sich Fuchs und Has gute Nacht sagen, so liegt das L‘Arnsbourg eindeutig noch viel tiefer im Wald in der einsamsten Gegend des Elsass'. Es gibt sicherlich weiter rauf in den Vogesen recht einsame Ecken, aber da fährt wenigstens mal ab und zu ein Tourist vorbei oder es kreuzen Wanderer, Radfahrer und am Wochenende die Motorradfahrer den Weg. Aber hier im Baerenthal fährt man zunächst ab Gundershoffen, wo sich das Le Cygne ja befindet, weiterhin einsame Landsträßchen, um dann die letzten fünf Kilometer auf einer zwar asphaltierten, aber wirklich als absolute Nebenstrecke zu bezeichnenden Straße, die überwiegend einspurig verläuft. Da das L‘Arnsbourg nur abends geöffnet hat, ist man gut beraten, einfach dort auch ins Hotel zu gehen. Eine Rückfahrt in stockfinsterer Nacht mit dem ständigen Gefühl im Nacken, dass ein Hase unter die Räder hoppelt, ein Reh vor den Kühler springt oder noch schlimmer, eine Rotte Wildschweine die Fahrbahn sperrt, wäre völlig unentspannt. Ein Reh stand sogar am Straßenrand, war aber zum Glück damit beschäftigt neugierig zu sein. Wenn man also den etwas gewöhnungsbedüftigen Weg ins L‘Arnsbourg geschafft hat, erwartet einen ein von außen dem Stil des Elsass angepasst, herrschaftliches Landhaus, das jedoch drinnen nur so von Extravaganzen strotzt. Alles ist hochmodern und sehr stylisch gestaltet. Dunkle, elektrische Rauchglasschiebetüren, in den Boden eingelassene Fenster mit feinem Blick in den Weinkeller hinunter, großzügiger, mit großen Dekoelementen ausstaffierter Essraum und ein weiten Blick aus den bodentiefen Fenstern hinein in den Elsässer Wald. Ach, und noch eine Kleinigkeit möchte ich an dieser Stelle erwähnen: Das sind die computerisierten Toiletten, ich habe nie modernere nutzen dürfen.


Als Hintergrundwissen nicht ganz unwichtig ist die Tatsache, dass Fabius Mengus, ehemals ausschließlich zuständiger Koch für das Le Cygne, dort immer noch verantwortlich zeichnet, vermutlich auch immer noch die Richtung vorgibt - und damals sogar zwei Michelinsterne geschafft hatte. Als sich ihm, so ist es zu lesen, 2016 die Möglichkeit bot, das L‘Arnsbourg zu übernehmen und nach seinen Ideen zu gestalten, hat das Le Cygne eine andere Ausrichtung bekommen, wurde auf Bib Gourmand herab gestuft, während das L‘Arnsbourg seinen Michelinstern völlig zu Recht erhielt. Eigentlich ist einiges in der Mengus-Küche sogar mehr als einen Stern wert und mich würde nicht wundern, wenn bald auch das L‘Arnsbourg noch weiter aufsteigt im Sternenhimmel.
Der Service agierte ungewöhnlich ausgefeilt und perfektioniert, inklusive besonders geräuschlosem Abräumen des Geschirrs. Man hatte den Eindruck, dass hier ganz besonders auf Etikette Wert gelegt wurde.
Wir wählten jeder das 5gängige Menü Partition und, da wir ja noch per Auto zurück mussten, lediglich 1 Glas Wein für den Fahrer und für mich drei verschiedene Weine, wobei wir dem Sommelier überließen, die passenden Getränke auszuwählen. Auf dem Foto der Rechnung sind die einzelnen Getränke notiert:

Insgesamt fiel auf, dass die Weinkarte sehr breit gefächert war und sehr viele französische Regionen erfasste; der Schwerpunkt somit keinesfalls nur auf den Elsässer Weinen lag. Die Preise waren relativ hoch, ich meine, keine Flasche unter 50 Euro gesehen zu haben, sondern Preise von 100 Euro aufwärts, etliche über 500 Euro.
Die Weinbegleitung dem Sommelier zu überlassen, war keinesfalls eine schlechte Entscheidung, seine Auswahl war perfekt und entsprach genau dem, was mir und meinem Mann schmeckte.


Das Menü startete mit diversen Amuse gueules: Zunächst ein Teller mit drei verschiedenen Häppchen, wovon derjenige mit dem Bambusstäbchen, ein Häppchen Brioche, in ein Schüsselchen getaucht werden sollte, das einen feinen Schaum mit winzigen würzigen Speckstückchen enthielt, köstlich wie übrigens alle Saucen und Schäume hier. Der schwarze, krackerähnliche Tuff war innen hohl und obenmit einer Artischockencreme versehen, das gelblich aussehende Amuse gueule war ein fruchtiger Macaron mit einem Stückchen rohem Fisch darauf. Alles mundete sehr gut.
Als letztes Amuse gueule folgte eine gegarte Auster, versehen mit einer feinen schaumigen Sauce und Linsen darunter. Eine interessante, wohlschmeckende Kombinantion. Es folgte ein rustikal krosses Sauerteigbrot, welches wir überwiegend dazu nutzten, die hervorragenden Saucen aufzutunken. Ein typisches Merkmal der Mengusschen Küche, so erschien es uns, sind seine aufgeschäumten Saucen - oftmals sehr gehaltvoll, stets auf den Punkt perfekte Saucen, die durch das Aufschäumen ein wenig ihrer Wuchtigkeit verloren. Saucenkalorienbomben im luftigen Gewand:


Der 1. Gang, sehr junge kleine Artischocken mit Sommertrüffeln, einer Parmesan-Creme und einzelnen Johannisbeeren bot sehr abgerundeten Geschmack, ein feiner Start ins Menü.
Beim 2. Gang, blauer Hummerschwanz mit Avocado-Guacamole mit Koriander gewürzt , in zwei wunderschön anzusehenden grün glänzenden Kugeln, entfaltete im Mund ihre Wuchtigkeit, einem sauber gegarten perfekten Hummerschwanz und seitlich besonders säuerlich fein geschnittene Limone. In einer feinen Teigumhüllung fand sich eine Portion Hummertatar, fein abgeschmeckt. Insgesamt ein köstlicher Gang:


Mein Mann erhielt auf der Zunge zergehende, gebratene Entenleber von „Andignac“ mit feinst geschnittenen Selleriestangen und weißem Pfirsich. Auch er war von seinem Gang sehr begeistert.


Als 3. Gang kam gebratener Rochen mit Butter und Tannenknospen aromatisiert, Erbsen und Pfifferlingen sowie braunem Butterschaum an den Tisch. Ebenfalls ein hochköstlicher Gang, wobei ich gestehen muss, dass die Tannenknospen mir geschmacklich nicht auffielen, war ich doch besonders auf diesen Geschmack gespannt gewesen. Das Verhältnis der Erbsen zu den Pfifferlingen fiel leider, ich bin leidenschaftliche Pfifferlingsesserin, zum Nachteil für die Pilze aus, dafür entschädigte jedoch die cremige Buttersauce sehr. Ein insgesamt hochharmonisches Essen, da passte alles, ohne sich geschmacklich vorzudrängeln:


Ein Hummercappuccino, offenbar nicht als Gang auf der Menükarte mitgezählt, wurde uns in einer Espressotasse serviert und gehört unter all den Hummerbisques bisher zu den besten, die ich gegessen habe, weil fein abgeschmeckt und doch intensiv nach Hummer:


Der 4. Gang war für uns beide das Lammkarree in zwei Scheiben mit eingelegtem Gemüse, das als flacher, optisch faszinierender Riegel auf dem Teller lag. Dazu schwarzer Knoblauch und Taggiasca-Oliven Condiment als dicke dunkler Tupfer auf dem Teller und dem Lamm-Ragout mit Rosinen und frischer Minze. Eine sehr köstliche Zusammenstellung, wobei ich mich nicht zwischen dem Karree und dem Ragout entscheiden könnte, beides einfach nur perfekt, vom Fleischgeschmack her und von der Art der Zubereitung:



Und dann kamen wir zu den Desserts und hier drehte die Küche derartig wuchtig auf, dass ich schwer beeindruckt am Ende dieser kleinen Völlereien ins Auto für die Heimfahrt stieg.
Es begann mit einer Zitronenvariation, bestehend aus Schaum von der Zitrone, der eher verhalten schmeckte, einer Praline, deren Füllung sich im Mund vollmundig zitronig ausbreitete und dem Zitronensorbet, das fast ein wenig zu säuerlich wirkte (für mich, denn mein Partner fand das nicht). Zum Neutralisieren fanden sich Sahnetupfer auf dem Teller, sodass alles zusammen etwas runder werden konnte. Ein spannendes Zitronenvielerlei:


Dann folgte das eigentliche Dessert zum Thema Rhabarber, als perfektes Sorbet und als Kompott, welches zu einem Würfelchen gestaltet wurde, beides deutlich mit dem typischen Rhabarbergeschmack, ohne die Nachteile des Rhabarbers, der oftmals einen stumpfes Mundgefühl hinterlässt. Auf dem Teller lagen zudem noch Tupfen von Yuzu-Gelee und Brioche-Teile, fein geröstet - und alles passte genial gut zusammen. Ich war mit meinem Dessert sehr zufrieden, einfach erfrischend und man hatte aus dem Rhabarber wirklich etwas sehr Feines gemacht.


Das Schokoladendessert, welches sich mein Mann bringen ließ, war nach seiner Schilderung einfach nur super, sämtliche Schokoladen zergingen auf der Zunge und zeugten von hoher Kakaoqualität. Im einzelnen hatte er laut Menükarte bekommen: Schokoladen-Fondant, Guanaja-Schokoladen-Ganache, pochierte Kirschen in Portwein, Passionsfrucht-Sorbet, Malibu-Schaum.
Aber es ging noch weiter zu unserem Erstaunen und genau hier zeigte sich, dass wir mittlerweile über der Qualität eines Einsternerestaurants waren: Ein hübsch geschnitzter, moderner Wagen mit diversen kleinen Leckereien, von denen man sich dann noch etwas aussuchen durfte.

Ich wählte einen Eislolli, der vollmundig nach Frucht schmeckte, fast schon zusammen mit der sofort schmelzenden Schokolade im Mund explodierte. Außerdem einen feinen, geschmacklich perfekten Mokka-Macaron, ein sanft-zitroniges längliches Sandtörtchen mit Zitronencremetupfen darauf, das nochmals die Zitronenvariation aufnahm und köstlich schmeckte, einen hocharomatischen Geleewürfel, der den Mund mit Aprikosengeschmack flutete und eine raffinierte Praline, die im Mund Panna Cotta - und Schokoladengeschmack freiließ.
Ein sensationeller Abschluss und ein gelungener kulinarischer Abend. Und heil sind wir auch nach Hause gekommen, trotz neugierigem Reh.
 

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L'Arnsbourg
Untermuhlthal 18
57239 Baerenthal / Frankreich
Telefon: + 33 387 06 57 67
 

 

 

 
 
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