Kaminstube

Ein ausgehungerter Gourmet hat es schwer in Wismar - weit und breit
leuchtet nirgendwo ein Michelinstern. Die Vermutung, das liege
vielleicht an mangelnder Nachfrage, geht allerdings fehl, denn in diesem
fast einzigen Haus gehobener Gastronomie ist ohne eine von langer Hand
geplante Platzreservierung kein Tisch zu bekommen. Wir ergatterten nach
vier Tagen Vorlauf an einem Montag gerade eben noch den Not-Tisch im
Gang und fragten uns, ob das feuerpolizeilich überhaupt zulässig war.
Aber im Grunde waren wir froh, dass die 'Kaminstube' vom Wandgerüst an
ihrem Platz gehalten wurde.


Man sitzt in sehr rustikalem Ambiente, der Service agierte flott, gut
gelaunt und schlagfertig. Die Weinpreise sind kundenfreundlich
kalkuliert, eine Flasche vom wunderbar mineralischen 2013er Rioja
Crianza schlug mit rund 25 Euro zu Buche.
Küchengruß
Aus der übersichtlichen Karte überzeugte eine runde Kombination aus
krossem und doch saftigem Zander und feinaromatischem Maronenpüree
(24,90):

Das gleiche Maronenpüree kredenzte die ambitionierte Küche auch als
Unterlage für eine kraftvoll-zarte Rinderbrust (25,90), als zusätzliches
Gemüse lagen sanft angebratene, jedoch knallharte und damit ungenießbare
Möhren auf dem Teller - der einzige Patzer an diesem Abend.

An den Nachtischen gab es nichts zu mäkeln, sowohl das Mohneis als auch
die wirklich sehr cremige Crème brûlée - beide mit Physalis -
bildeten einen gelungenen Abschluss:


Insgesamt ein lohnender Besuch in einem stimmungsvollen Restaurant. Die
Parksituation ist schwierig, weil in weiten Teilen des Wismarer
Altstadtkerns 'Bewohnerparken' gilt.
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Mitte Juli 2024 zeigt sich die Kaminstube
in bewährter Qualität, sodass ohne Reservierung quasi nichts geht. Es
gibt Essen à la carte, aber auch preisgünstige Menüs. Letztere sind
Überraschungsmenüs, können also nicht selbst aus der Karte
zusammengestellt werden. Das Personal zeigte sich in bester Laune und
flott. Die Weinauswahl bot immerhin einen spannenden, extrem
bissig-trockenen Tropfen, den kundenfreundlich kalkulierten 2016er Rioja
Tarón Reserva.


Wir begannen nach einem netten Küchengruß (Thunfischtatar) mit dem
"Wildkräutersalat - Karamellisierter Ziegenkäse | Pfifferlinge | Serrano
Schinken" für 16 €, sehr fein abgestimmt und für die warme Jahreszeit
genau das Richtige. Der Käse war von der sehr milden Sorte, der Schinken
ebenso:

Die "Gebratene Kalbsleber | frische Pfifferlinge | Kartoffelpüree" für
29 € kam in ausgezeichneter Qualität daher, butterzart und aromatisch
sowie exakt auf den Punkt gegart. Aber - schon wieder Pfifferlinge?
Immerhin schmeckten sie wirklich hervorragend und kongenial zum
Kartoffelmus:

Auch das "Kalbsbäckchen | Kohlrabi-Kartoffel-Gemüse | Pfifferlinge" für
32 € überzeugte auf ganzer Linie: Ein wunderbar zartes, duftendes
Schmorgericht von hoher Produktqualität; mit den offenbar
unvermeidlichen, aber doch sehr gelungenen Pfifferlingen. Etwas mehr von
der leckeren Sauce wäre nett gewesen. Große Gaumenfreude!

Fast ohne Tadel kamen die Nachtische daher, beispielsweise "Crème Brûlée
von weißer Schokolade |frische Beerenfrüchte | Macaron" (10,- €) - die
Crème hätte etwas weniger puddingartig sein dürfen, das kann die Küche
besser.

Dafür machte der kleine Macaron richtig Spaß! Das "Exotic-Törtchen |
Himbeersorbet | Aprikosenkompott" (14,-) war die richtige Erfrischung
zum Abschluss.

Für Freunde nicht ganz leichter, französischer Kochkunst lohnt sich der
Besuch hier allemal, es wird sehr klassisch auf hohem Niveau gekocht.
Die Kaminstube gehört zu den besten Restaurants der Stadt.

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Die positiven Erlebnisse aus den Vorjahren bestätigten sich im
Juli 2025 - da scheint jemand mit Sinn für hohe
Produktqualität seine Freude an Kreativität und Küche energisch
auszuleben.
Unsere Bedienung überzeugte durch hemdsärmelige Freundlichkeit und
professionelles Agieren, die Getränkepreise bewegten sich nach wie vor
im humanen Bereich. Eine Flasche vom kräftigen spanischen 2017er Tarón
reserva schlug mit 37,- € zu Buche.

Nach den kleinen Küchengrüßen (italienische Wurst mit Topping)
überzeugten auch die Vorspeisen auf ganzer Linie. Vitello Tonnato (16,-
€) kam in wunderbar zart-saftiger Konsistenz, mit köstlicher
Thunfisch-Kapernsauce und ohne Tamtam auf den Tisch, besser kann man es
kaum machen:

Gleiches galt für den zunächst unter bunten, pikanten Kräutern und
Sprossen versteckten Thunfisch-Tataki (17,-). Der geflämmte Fisch zeigte
sich unglaublich frisch, vollmundig und gaumenschmeichlerisch.
Großartig!


Die Steinbuttcremesuppe mit geröstetem Sesam und Garnele blieb trotz
feiner Textur aromatisch im Ungefähren und war daher insgesamt eher nett
als herausragend:

Herausragend aber müssen wir die Kalbsleber auf Kartoffelpüree mit
Pfifferlingen (30,-) nennen, wenngleich die leckeren Pilze eine Spur zu
viel Sand aufwiesen. Wiewohl die Leber nicht 'durch' bestellt worden
war, kam sie so auf den Teller - und ließ doch keine Wünsche an
Zartheit, Saftigkeit und Aroma offen. Da blieb uns nur ein großes
Dankgebet an den Küchengott:

Nicht ganz so viel Ehre gebührte dem Kabeljaufilet auf grünem Spargel
(32,-). Die Knusperkruste bereitete zwar Freude, das Filet litt aber
trotz weißfleischiger Frische wegen leichter Übergarung an Trockenheit.
Weit nach Ende der Spargelsaison brachte die grüne Ware reichlich Aroma
mit, gleichzeitig leider deutlich zu viel Biss:

Die Kaminstube wird ihrem Ruf, das beste Restaurant am Platze zu sein,
allemal gerecht.

Kaminstube
Bademutterstraße 19
23966 Wismar
Telefon 03841 - 32 88 340