Le Jules Verne

  

 

Der Eiffelturm ist ein geeigneter Ort für ein Spitzenrestaurant, der Eingang am Südpfosten des Turms ist leicht zu finden, es gibt einen eigenen Aufzug in die zweite Etage - und doch braucht sich hungrige Laufkundschaft keinerlei Hoffnungen hinzugeben: Ohne Reservierung geht nämlich nichts und reservieren kann man nur auf der Jules-Verne-Webseite; gegen Hinterlassung der Kreditkartennummer und mit der ausdrücklichen Einverständniserklärung, dass bei Nichterscheinen ohne rechtzeitige Abmeldung (48 Stunden vorher) 85,- EUR pro Person abgebucht werden dürfen.

In unserem Fall funktionierte der Privataufzug mittags nicht und wir wurden erst einmal quer über den Platz mit den fliegenden illegalen Händlern und ihren furchtbar bunten Eiffelturmmodellen zum Massenaufzug und schließlich nach oben gebracht. Ins Restaurant selbst kommt man so nur durch einige Sicherheitsschleusen. Wir bekamen einen Fensterplatz auf stylischen Pininfarina-Stühlen und holten angesichts des grandiosen Ausblicks erst einmal tief Luft, hatten zunächst kaum einen Blick für die Speisekarten.

  

     

 

Wieder zu Atem gekommen, stellten wir fest, dass die Angebote in französisch und englisch verzeichnet waren und dass es eine spezielle Damenkarte gab - auf der Karte meiner Angebeteten standen keine Preise. Auf meiner Karte hingegen schon, nämlich 85,- Euro für drei Gänge oder 120,- Euro für dieselben drei Gänge inklusive (ausschließlich französischen) Weinen, 19,- Euro für ein Glas Ducasse-Champagner.

 

Das Personal war flink bis hektisch und aufgeräumter Stimmung, versuchte sich sogar in deutschen Brocken. Persönlich fand ich den häufigen Wechsel der angesichts des vollbesetzten Restaurants gut beschäftigten Bedienung nicht sehr glücklich, zum Aufdecken, Abräumen oder Nachfragen bekam man jeweils ein neues Gesicht.


Als erstes kam ein Gruß aus der Küche auf den Tisch, eine frische kalte Tomatensuppe mit Croûtons, nett, leider auf arg sämiger und viel zu fester Pestocreme.

Besser gefiel uns die Vorspeise, foie gras de canard mit schwarzem Feigengelee auf speziellen Ducasse-Tellern. Der erste Bissen war mir etwas zu streng entig, dann aber entfaltete sich die volle Wonne dieser nicht eben fettarmen Spezialität, die herrlich feine Konsistenz. Toll! Der dazu eingeschenkte 2006er Sauternes passte, überzeugte eher durch feine Fruchtigkeit denn durch dramatische Süße.

 

Der Hauptgang, Bressehuhnroulade ('Frikassee') mit Gemüse, lebte von der hohen Produktqualität, das Huhn schmeckte erheblich hühnchenhafter, als man es in Deutschland von Hühnchen gewohnt ist, das Gemüse war Babygemüse. Es mag aufwändig gewesen sein, die Rouladen zu formen, aber große Kochkunst war beim besten Willen nicht zu erkennen. Die Möhren hatten eine Spur zu lange gegart, die Sauce war keine Offenbarung. Wohlgemerkt: Alles war schmackhaft und hätte vielleicht in den 70ern des vergangenen Jahrhunderts zu ausschweifenden Lobeshymnen hingerissen, im Jahre 2010 ist es einfach recht gut, mehr nicht. Ebenfalls gut passte der nicht zu schwere Chablis.

 

Zum Dahinschmelzen geriet das Schokolade/Vanille-Palet mit der Kaffeecreme, ein Reichsparteitag für die Zunge.

Dazu wurde noch ein Becher mit kleinen Marshmallows gereicht - zu süß. Ganz nett dagegen wieder die winzigen, mit dunklem Kakao bestäubten Cremewürfel, ebenso die frischen Himbeeren im Likörglas auf einer Art Mascarpone. Dazu gab es noch rundes Makronengebäck und versetzte einen finalen Zuckerschock - diese Stückchen dürften selbst schwer cola-abhängigen Kleinkindern zu süß schmecken.

 

 

Alain Ducasse mag der höchstdekorierte Sternekoch der Welt sein, bei diesem Menü habe ich allerdings das Gewaltige vermisst, konnte nicht einmal ein Konzept entdecken. Vielleicht hat er sich zurückgehalten. Insbesondere beim Nachtisch herrschte wohl der Wille vor, es jedem recht zu machen und darum vorsichtshalber alles quer durch den Garten zu servieren. Sterneniveau wird hier sicher nicht geboten, kann möglicherweise angesichts der Bedingungen auf dem engen Turm auch nicht geboten werden.
Der Gesamteindruck ist allerdings positiv, es gibt sicher nur sehr wenige Möglichkeiten auf der Welt, mit einem so phänomenalen Ausblick so fein bekocht zu werden. Das alles hat seinen Preis, der mir für das Mittagsmenü insgesamt gerechtfertigt zu sein scheint. Wenn das Abendmenü allerdings nicht überzeugender sein sollte, wäre es überteuert. Noch ein Blick in die Turmküche:

Die Vorbereitungsküche und der Weinkeller liegen unter dem Champ-de-Mars.

Übrigens muss die Geschichte der Darkrooms völlig neu geschrieben werden. Sie gelten gemeinhin als eine Erfindung San Franciscos, aber sie entstanden, da bin ich jetzt vollkommen sicher, hier im Jules Verne. Das WC ist nicht ausgeschildert, erst auf Nachfrage übernimmt ein Kellner die Führung zum dunklen Gang mit den schwarzen Schiebetüren. Damen, die vielleicht den Lidstrich nachziehen oder Lippenstift auftragen möchten, sollten über einen ausgeprägten Tastsinn verfügen oder eine starke Taschenlampe dabei haben - die Räume sind in dunkelgrau/schwarz gehalten und nur sehr, sehr spärlich beleuchtet.

Zum Abschied nach gut 2 Stunden bekamen wir noch eine kleine Packung mit Ducasse-Madeleines gereicht, das überbrückte die Wartezeit für die 123-Meter-Fahrt hinab mit dem Fahrstuhl.

 

Le Jules Verne

Tour Eiffel, 75007 Paris

+33 0145 55 61 44

 

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