Jahreszeiten-Grill im Hotel Vier Jahreszeiten

 

  

 

Im Rahmen des 'Hamburger Schlemmersommers' zog es mich, natürlich bei strömendem Hamburger Regen, in den Grill des Hotels Vier Jahreszeiten. Ein freundlicher Kellner befreite mich vom Schirm und geleitete mich samt Begleitung zu den Plätzen. Man sitzt gut, sehr edel, eine deutliche Spur gediegener als im 'Atlantic' - es gab sogar ein schönes, dickes Rückenkissen auf jedem Stuhl.
Vorneweg sollte es ein Sherry sein, Harvey Bristols gab's nicht, aber Sandemanns geht gegen den schlimmsten Durst notfalls auch.

Vorspeise: Entenleberparfait mit Portweingelee auf Carpaccio von Balsamicoäpfeln. Sehr lecker und erwartungsgemäß nicht ganz fettarm. Ich bin eigentlich kein Freund von Gerichten mit Entenleber, weil mir der Geschmack zu streng auf der Zunge klebt - aber in diesem Falle hat der Koch einen vollendeten Genuss gezaubert. Die folgende Tomatenconsomme mit fritiertem Basilikum und Parmesanhippe mundete ebenfalls ausgezeichnet - eine originelle Idee gut umgesetzt. Fruchtig-kräftig-erfrischend.
Zur Entspannung wurde ein Himbeer-Pfirsichsorbet geliefert, was soll ich sagen? Ein langweiliges Himbeer-Pfirsichsorbet eben, keiner besonderen Erwähnung wert, mittlere Mövenpick-Qualität und damit entbehrlich.
Danach bekam ich das beste 'Medaillon vom Rinderfilet' meines Lebens - gleichmäßig rosa, wunderbar zart, wahnsinnig aromatisch unter einer genialen Kräuterkruste. Besser geht es nicht! Das Ganze lag auf Sommergemüse und Merrettichsabayon.
Die Nachspeise (Halbgefrorenes von der Limone im Baumkuchenmantel) ist, wie das schon erwähnte Sorbet, zu vernachlässigen. An den süßen Sachen sollte die Küche noch mal feilen. Oder sich im Atlantic auf der anderen Alsterseite zeigen lassen, wie's geht.

 


Der Service war aufmerksam und freundlich, wirkte sehr entspannt und professionell. Ich habe mich richtig wohl gefühlt, beinahe wie im eigenen Wohnzimmer. Allerdings darf in meinen Wohnzimmer niemand Zigarren rauchen. Die vorgeschlagenen Weine passten perfekt zum Essen und lebten in moderaten Preisregionen, der Carlos I. war wohltemperiert. Natürlich finden sich auf der Weinkarte auch Schätzchen zu 400,- Euro. Eine Literflasche Mineralwasser San Pellegrino für 9,- Euro und ein Espresso für 3,50 überschreiten allerdings die Grenze zur Abzocke. Unter der Woche wird übrigens Mittagstisch geboten, da kostet ein Drei-Gänge-Menü gut 20,- Euro, das ist günstig.
An der Garderobe holte ich schließlich meinen Regenschirm wieder ab. Gegen Entrichtung einer Gebühr von 1,30 Euro bekam ich ihn. Irgendwie hat mich das seltsam berührt.

Für einen neuen Besuch im Juli 2006 war ich versucht, mir aufgrund der Erfahrung im Vorjahr den Nachtisch in Form von Dosenmandarinen selbst mitzubringen. Ich habe es nicht getan - gut so. Das Ananassorbet auf Granatapfel erwies sich nämlich als Granate geschmacklicher Art, sehr fein, vollmundig und lecker. Ebenso erfreulich gestaltete sich das Löffeln des Schoko-Minzparfait mit den marinierten Erd- und Blaubeeren.
Ich bekam ja anfangs einen mittelschweren Schock und wollte beinahe gehen, als ich auf dem Tisch allen Ernstes einen Pfefferstreuer mit vorgemahlenem Pfeffer vorfand. Aber für die wirklich überzeugende, wunderbar zarte und aromatische 'Terrine vom Parmaschinken mit zweierlei Melone an Rucola' (Vorspeise) kam eine junge Dame mit der Mühle und es gab frischen Pfeffer.
Als Fischgang hatte ich 'Gegrilltes Zanderfilet auf Spargelrisotto und rotem Paprikaschaum'. Kräftiger Paprikageschmack! Das Zanderfilet war wohlgeraten und wies eine Rauchahnung vom Grill auf, das bekam dem knusprigen Stück  gut. Allerdings hätte ich mir ein paar Gräten weniger gewünscht, sollte es doch ein Filet sein. Als großen Genuss habe ich das Spargelrisotto empfunden, nicht zu weich und sehr aromatisch. Der Genuss wäre nur noch zu steigern gewesen, wenn tatsächlich ein Hauch Aroma vom Spargel meine Zunge erreicht hätte. Das 'Steak vom Bio-Kalb auf kleinem Ratatouille mit Rosmarinkartoffeln' sah sehr gut aus, war aber recht ungleichmäßig gegart: Die erste Hälfte hatte der Koch innen schön rosa hinbekommen, die hintere Hälfte vom drei Zentimeter dicken Steak aber hatte er innen roh gelassen, nur die äußeren je knapp zwei Millimeter waren angebräunt. Offenbar ungleichmäßige Hitze auf dem Grill, andere Gäste bemängelten das ebenfalls. Die kräftige Sauce dazu hätte nicht unbedingt ins Süße spielen müssen, war aber OK. Nach dem grandiosen Rinderfilet 2005 empfand ich diesen Gang als herben Rückschritt, sehe jedoch für die Küche noch ordentliches Verbesserungspotential. Und natürlich wäre es auch schön, wenn statt des auf der Karte angebotenen Pinot Grigio 2003 nicht einer von 2005 serviert würde. Ich will aber nicht kleinlich sein, denn der passte gut zum Essen.

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Was konnte Anfang Juni 2011 näher liegen als ein leichtes Spargelmenü? Eben.

Bei Außentemperaturen von 26°C im Schatten ist es ein echtes Erlebnis, wenn im Vorraum der große Kamin, dessen Temperaturentwicklung eine kräftige Klimaanlage im Zaum hält, wohlig knistert:

Sommerliche Kaminidylle

 


Als Gruß aus der Küche servierte die junge und flotte Servicemannschaft ein heißes Spargelsüppchen im Likörglas, garniert mit scharfem Schnittlauch - nett.


Es folgte ein 2010er Spätburgunder Blanc de Noir, ein schwach moussierender, sehr leichter Tropfen mit deutlichen Anklängen von Erdbeeren. Dazu gab es
zweierlei Tatar vom Wildlachs mit Spargelsprossen und Spargelespuma - eigentlich aber nur einerlei Tatar, denn der Unterschied bestand nur in ein wenig Apfel und Meerrettich beziehungsweise Dill. Wein und hauchzarter Spargelschaum ergänzten sich genial, was allerdings die Frage aufwarf, zu welcher Gelegenheit man sonst noch einen derart charakterlosen Wein trinken könnte.


Dem 2009er Riesling Spätlese trocken „Kindenheimer Grafenstück“ hat der Winzer (Neiss) fast die gesamte typische Riesling-Säuerlichkeit ausgetrieben, was für den Wein traurig sein mag, aber die Tagliatelle vom grünen Spargel mit gebratenen Jakobsmuscheln und Safran-Hummerschaum bestens in Szene setzte. Der Hummerschaum war überzeugend vollmundig und rund, die Muscheln wären es ohne das zwischen den Zähnen knirschende Gewürz ebenfalls gewesen. Die dicken Nudeln dazu waren die besten, die wir seit langem bekommen haben, herrliche Konsistenz, voll aromatisch!


Der 2008/2009er Spätburgunder trocken „vom Kalkstein“ hat nie ein Holzfass von innen gesehen, dementsprechend milde und süffig präsentierte er sich am Gaumen. Vor allem erschlug er nicht das wunderbar zart geschmorte Bäckchen vom Bio-Kalb. Die Sauce Béarnaise erinnerte an Mayonnaise, war aber sehr fein im Geschmack und alles andere als fade. Der Spargel erreichte die Güteklasse 'recht gut', aber mangels Aroma und Spritzigkeit nicht 'hervorragend' - was dafür der wirklich grandios saftigen Quiche vom Heidespargel und Bärlauch trotz ihres todlangweiligen Aussehens auf Anhieb gelang. Ein Meisterstück!


Die 2009er Riesling Beerenauslese kam sehr reintönig daher, trotz ihrer Jugend mit der bei Süßweinen üblichen Schwere. Dazu wurde, warum auch immer, ein nahezu geschmacksfreier Riegel von weißer Schokolade offeriert. Als Trost dienten köstlich-weiches Pistazieneis, das allerdings sehr stark an Mandeln/Marzipan erinnerte sowie vollreife, marinierte Erdbeeren, die garantiert nicht aus Marokko stammten.


Was kostete das Menü inklusive der Weine, Mineralwasser und abschließender Kaffeespezialität? € 54,00 pro Person - angemessen!

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Sparfüchsen sei der Businesslunch empfohlen, für 26,50 bekommt man drei wirklich ordentliche Gänge, zum Beispiel Spargelsüppchen, Entrecôte mit Bohnen, Bratkartoffeln und Estragonsauce sowie ein warmes Schokoküchlein mit marinierten Erdbeeren als Nachtisch:

   


Das Süppchen überzeugte durch Leichtigkeit, Frische und ein angenehm fruchtig-süßliches Aroma, das kleine Steak durch tadellose Qualität und bemerkenswert kräftigen Fleischgeschmack. Die Bratkartoffeln hatten Zwiebeln und Speck gesehen, schwammen nicht in Öl und lagen auch nicht ewig in der Pfanne - gut! Knusprig ebenso die beiden Speckscheiben, die als Umwicklung der knackigen Bohnen herhalten mussten.
Der Nachtisch schloss die Mahlzeit als erfreulicher, nicht zu süßer, nicht zu üppiger und wohl abgestimmter Haps ab.

Die Getränkekarte dürfte allerdings auch mittags unter Sparfüchsen keine echten Freunde finden, denn mit nur wenigen Schlucken ist der Preis des Menüs schnell übertroffen. Ein Glas Sherry (Tio Pepe Fino) schlägt mit 8 Euro zu Buche, ein 0,2l-Glas Grauburgunder mit 13,50 Euro und eine Flasche San-Pellegrino-Wasser mit 9,- Euro.

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Wer lieber draußen sitzt (ohne Kamin!):

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Zum Thema Schlemmersommer 2011 im Jahreszeiten-Grill fällt das Urteil des Genusspapstes zwiespältig aus:

Essen war gut, einzelne Gänge auch sehr gut. Leider mit zwei Einschränkungen:

- Die Getränkepreise sind völlig überzogen (Flasche Wasser 10,20 €, Espresso Macchiato 4,20 €).
- Während mein Rumpsteak tadellos war, war ein großer Teil (ca. ein Drittel) beim Stück meiner Mitesserin von Sehnen durchzogen und somit nicht essbar. So etwas dürfte in deren eigentlicher Kernkompetenz Fleisch nun wirklich nicht vorkommen.

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Jahreszeiten-Grill (im Hotel Vier Jahreszeiten)  Internet

Neuer Jungfernstieg 9 - 14    Telefon 040 / 34 94 33 12

 

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