Haebel

 

Wenn diese verfluchte Pandemie überhaupt für irgendetwas gut ist, dann für zwei grundverschiedene Erkenntnisse: zum einen zeigt sie, wer das Zeug hat, im gastronomischen Bereich trotz des gefühlt jahrelangen Lockdowns zu überleben, obwohl ja nun rein gar nichts dafür staatlicherseits getan wurde, es den Gastwirten leichter zu machen. Sie mussten also kreativ werden, um neue Absatzmöglichkeiten zu finden.
Und zum anderen beschert diese Pandemie echte Wiedersehensfreude und die sollte man in vollen Zügen genießen.
So war Fabio Haebels herzliches Willkommen einfach ein so wohltuender Effekt, dass wir uns sofort wieder heimisch fühlten. Da hätte es des Champagnerglases auf Hauskosten gar nicht bedurft, gern getrunken und drüber gefreut haben wir uns trotzdem. In seiner angenehm extrovertierten Art weiß Fabio (Anmerkung: ich darf ihn duzen) dieses Willkommensgefühl allen Gästen zu vermitteln. Schon bei unserem ersten Besuch vor etwa drei Jahren war man irgendwie nicht in einem Restaurant - doch natürlich war man in einem - aber die freundschaftliche offenherzige Art mit den Gästen umzugehen, vermittelte viel eher das Gefühl, dass da ein Freund kocht, der nur aus Platzgründen nicht nach Hause eingeladen hat. Gar keine Frage, so war es auch jetzt.


Sein kleines Restaurant hat Fabio etwas umgestaltet, helle Bestuhlung, die Fenstersitzbank ist verschwunden und es sind die traditionell weißen Tischdecken im Einsatz, wo zuvor die Teller auf blanken Tischen serviert wurden. Der wunderbare offene Blick in die Küche ist geblieben.


Eine Veränderung allerdings soll genau an dieser Stelle erwähnt werden: Es kochte nicht Fabio selbst, Kreation und Ausführung erfolgten durch seinen versierten Chefkoch Kevin Bürmann und seinem Team und Bürmann war es auch, der alle Speisen an die Tische trug und ausführlich erläuterte. Eine schöne Geste, die allerdings nur bei kleiner Gästezahl funktioniert und kaum durchzuhalten ist, wenn die Küche brennt. Aber wir kamen in den Genuss und wussten es zu schätzen.
Die sog. Speisekarte verdient ausnahmsweise wirklich den Vorspann "sog.", denn sie enthält nur Stichworte, die eher eine schräglagige Erwartungshaltung entstehen lassen, die vielleicht hie und da beim Menü stören könnte.

Steht da z.B. Kaffee, erwartet man einen Schwerpunkt mit dieser Zutat und wird dann etwas enttäuscht, weil sich dieser Geschmack gar nicht weiter hervortut.
Auf der anderen Seite gibt es mittlerweile eine zunehmende Anzahl von Personen, die unter Lebensmittelallergien leiden, da macht es dann doch Sinn, wichtige Zutaten zu benennen, um etwaige gesundheitlichen Probleme zu vermeiden.
Ansonsten hätte ich als Verbesserungsvorschlag den Wegfall der Speisekarte für puristisch konsequent gehalten, es reicht ja, wenn sich der Gast zwischen einem Menü mit Fleisch und Fisch oder einem vegetarischen entscheidet, der Rest bleibt Überraschung.
Wir wählten beide das antivegetarische Menü, weil wir es halt nicht lassen können, Tiere zu verspeisen. Soweit ich Blicke auf die vegetarischen Gänge werfen konnte, kann ich versichern, dass die ebenfalls keine schlechte Wahl gewesen wären.


Die Amuse gueules waren allesamt köstlich und aufwändig hergestellt. Da war die warme Zwiebel mit einer feinwürzigen Creme; und Eigelbflocken, in der Schale mit dem Muscheln drumherum befand sich zitronig-frisches Zandertatar und auf der knusprigen Tete de Moine-Hippe, die wie ein kleines Kunstwerk aussah, befand sich ebenfalls eine gut abgeschmeckte Creme:


Der 1. Gang war Taschenkrebs und exakt der kam an den Tisch. Herrlich optisch anzusehen, wie der Chefkoch die natürliche Verpackung der Krebsschere beließ und ein leckeres Teil servierte, von dem man mehrfach abbeißen konnte - einfach köstliches Taschenkrebsfleisch! . Dem Rest konnte man, was Wunder bei Krebsen, nur mit etwas mehr Mühe zu Leibe rücken. Dass dem Krebsfleisch auch mit Holunderblütensaft zu Leibe gerückt worden war, konnte ich nicht herausschmecken, störte aber auch nicht. Es war so oder so köstlich.


Der 2. Gang bestand aus einer Kartoffelroulade, obendrauf israelischer Kaviar (habe es leider versäumt zu fragen, wieso daher) und drumherum köstlichste buttrigste Beurre blanc, wobei man mir verzeihen möge, dass ich das Buttrige extra erwähne. Es war aber so, dass ich nicht entsinne, einen so feinen Buttergeschmack jemals im Mund gehabt zu haben. Offenbar stammen alle Milchprodukte vom Hof Horst in Horst/Schleswig-Holstein.

 

Nach dem 2. Gang wurde Sauerteigbrot mit krosser Kruste und Misobutter mit Walnüssen gereicht. Dieses Brot hätten wir gern schon einen Gang früher zur Verfügung gehabt, hatten wir doch Mühe, die Buttersaucenreste von unseren Tellern zu löffeln. Mit darin getunktem Brot wär' es perfekt gewesen. Wie der Leser aber gewiss schon bemerkt haben wird, jammern wir auf sehr hohem Niveau.


Der 3. Gang setzte sich aus kernig schmeckender Kaninchenleber, Blaubeeren und Blaubeermus und einer würzigen Kaninchenjus zusammen, eingegrenzt von einer geschmacklich eher verhaltenen Buchweizencreme und irgendwo, ich habe es nicht herausgeschmeckt, versteckte sich auch etwas mit Kaffee. Durch die köstliche Sauce, die wir restlos, dem Brot sei Dank, vertilgten, bekommt dieser Gang von uns eine gute Note:

 

Als Zwischengang erhielten wir dann ein Marillensorbet mit Crémant aufgegossen, das wunderbar erfrischend, vollfeinfruchtig nach Marille schmeckte und einfach perfekt war. Sehr gute Idee für zwischendurch:


Der Hauptgang zum Thema Taube wurde in zwei Gängen serviert: zunächst hatte man eine Taubenkeule geöffnet, sie bis zum ersten Gelenk entbeint und dann raffiniert wieder gefüllt, sowie die Haut gelackt.
Die eingelegten Schnittlauchblüten hatten zwar keine Chance, geschmacklich erkannt zu werden, aber die Happen Taubenbein mundeten köstlich.

Was eher zartbesaitete Essgemüter anbelangt, glaube ich, dass es keine so gute Idee war, den gesamten Taubenfuß mitzuservieren, zumal man ihn sowieso nicht isst.
Der folgende Taubengang bestand aus Taubenbrust von allerfeinstem zartestem Fleisch, besser geht es nicht. Dazu weiße Bohnencreme mit Rhabarberstücken, die wie Kimchi eingelegt waren, plus herrliches Taubenjus. Ein insgesamt sehr gut schmeckender Gang:



Das Pre-Dessert bestand aus einem kleinen optischen Highlight, nämlich aus zwei superkrossen köstlichen Sabléscheiben, zwischen die kräftiges Zitronenparfait gepackt worden war; die Zitronen selbst hatte man übers Jahr eingelegt. Die offene Kante war dann noch in Szechuanpfeffer gewälzt worden. Das Parfait erinnerte in seiner Konsistenz eher an eine saftige Buttercreme. Spätestens mit diesem Gang kann man bei Chefkoch Bürmann von einem eigenen Kochstil und eigener Handschrift sprechen.
Hervorragend!

 


Das Dessert kam als Dreierlei zum Thema Fliederbeere: Grieß, Fliederbeeren und Pumpernickeleis sollte das Traditionelle dieses Gerichts unterstreichen. Ein sehr ausgewogenes Dessert, optisch mit klarer Linie; uns gefiel beides, Präsentation und Geschmack, sehr.

Der Käsegang, der ein Extra zum Menü ist (19 Euro), zeigte sich als sehr gute Entscheidung, weil alle Käsesorten sich jeweils in ihrem feinen Geschmack überboten und man tatsächlich nicht am Ende hätte sagen können, welcher der beste gewesen ist. Die Käse stammen vom Affineur Waltmann aus Erlangen - eine sehr gute Entscheidung.


Auf dem Käseteller befanden sich noch ein guter Klacks fein geschnittene Portweinzwiebeln und Birnenkompott, beides kräftige Kontrapunkte zum Käse. Das dazu gereichte selbst gebackene Knäckebrot konnte mich allerdings nicht so überzeugen, geschmacklich war es nicht schlecht, aber es fehlte ihm der letzte Schliff, vielleicht hätte es etwas dünner oder würziger sein müssen.

 

Das noch am Tisch befindliche Sauerteigbrot harmonierte viel besser mit dem köstlichen Käse.
Zum Filterkaffee verführte man uns noch zu guter Letzt mit selbst gemachter Schokolade, die mit Sonnenblumenkernen und Ringelblüten bzw. Rosinen belegt war.
Wir hatten einen sehr gelungenen Abend im Haebel.

Genussanwältin

 

 

Haebel
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