Ostseelounge (Dierhagen/Fischland)

In dieser einsamen Gegend zwischen Ostsee und Bodden hätten wir kein besterntes Restaurant erwartet. Dabei ist der Standort eines solchen Gourmettempels wirklich einerlei - die Ostseelounge lebt sicher nicht von Laufkundschaft und außer uns schienen nur Hotelgäste nach Gaumenverwöhnung zu dürsten.


Man hat uns hier einen sehr schönen Abend bereitet, uns einen Tisch mit traumhaftem Blick über die Ostsee reserviert. Das Restaurant mit seinen nur neun Tischen ist ausgesprochen großzügig gestaltet, die ganze Zeit über hörten wir melodiefreie Entspannungsklänge, wie man sie vielleicht aus ayurvedischen Massagesalons kennt - nach ein paar Stunden bekommt diese Art von Musik aber auch etwas Anstrengendes.
Unsere Bedienung agierte sehr freundlich und nett, angesichts der teilweise komplizierten Bezeichnungen der Gerichte stellte sich uns aber durchaus die Frage, ob jemand mit nur geringen Deutschkenntnissen der Richtige für diese Aufgabe war.


Die Preisgestaltung fällt für diese hohe Güteklasse barmherzig aus. Unsere beiden  Küchengrüße waren ausgesprochen fantasievoll, machten Lust auf mehr und es sollte auch tatsächlich gut weitergehen.

 

Der Steinbutt war über jeden Zweifel erhaben: Zart, saftig, lauwarm und gewürzt mit frischem Pfeffer - so speist man im Paradies! Erfrischend dazu der Selleriesalat, wunderbar fein und würzig die Hollandaise.

Letztere zeigte allerdings eine Schwere, wie sie auch schon die zum Brot gereichte Basilikumbutter mitbrachte und wie sie eigentlich seit dem Ende der sechziger Jahre des vergangenen Säkulums in Vergessenheit geraten sein sollte. Geschmackssache, aber aus unserer Sicht zogen sich Schwerpunkte dieser Art leider fast durchs gesamte Menü. Würzig und feinsinnig aromatisiert, aber einfach zu massiv.

Netterweise gab es für meine Mitesserin, die sich dem Steinbutt abgeneigt zeigte, einen bunten Teller, quasi das Ganze ohne den Fisch.

 

Was danach folgte, war eine nicht wie üblich gebratene, sondern nur sanft pochierte Jacobsmuschel, der der knusprige Hühnchenflügel als Gegenpart bestens bekam:



Experimente sind für Gourmets inzwischen eine feine Sache und man ist ja mittlerweile gewöhnt, dass ungewöhnliche Gänge oft besonderen Zauber auf die Zunge bringen. "Schottischer Lachs, mit Entenschmalz konfiert" las sich allerdings wie die Idee eines ausgehungerten Büchsenkochs auf Drogentrip, denn dem fetten Fisch wird normalerweise aus guten Gründen Zitrone oder Meerrettich zwecks Erzeugung von Leichtigkeit und Frische beigegeben.

Leider landete das Ganze dann genau so fettig und tranig im Mund wie eingangs befürchtet, da rettete auch die einwandfreie Fischqualität nichts. Experiment gescheitert, dennoch Hut ab für den Versuch!

Mit dem folgenden Gang besserte sich unsere Stimmung rapide. Auf den Punkt gegarter Rehrücken überzeugte mit überragender Zartheit und Saftigkeit sowie Aroma auf ganzer Linie, der Big Bang des Abends! Hervorragend dazu die Steinpilze und der würzige Kartoffelcroissant, unnötig die leider wieder viel zu schwere Mayonnaise mit kräftigem Raucharoma:


 

Basilikumeis erfrischte als Nachtisch neben eingelegter Mango, der Teller nannte sich "Ostseestern". Ein hübscher Seestern fand sich auch auf dem Teller und bestand aus Safraneis, erschlug aber mit seiner sämigen Wuchtigkeit und enttäuschte durch nur schwaches Aroma:



Zum Abschluss bekamen wir tatsächlich noch einen weiteren Küchengruß, der viel Spaß machte:


Die Getränkepreise bewegen sich in gewohntem Rahmen, der Umgang damit insgesamt hinterließ einen zwiespältigen Eindruck: Waren die im Rahmen der 'Weinreise' ausgeschenkten Mengen eher klein, gab es andererseits einen kostenlosen Probierschluck vom köstlichen weißen Rioja. Dafür wurde wiederum die Weinreise voll berechnet, wiewohl auf den Dessertwein verzichtet wurde.

Insgesamt ein lohnender Ausflug ins beste Restaurant auf der Halbinsel - der Gault Millau 2015 hat angemessene 16 Punkte gegeben.

Der abendliche Ausblick im September 2015:

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Wir begannen den Abend im September 2016 stilvoll auf der weiträumigen Terasse, jeder mit einem Glas spritzigen Blanc de Noir (je 14,- €) in der Hand - serviert von bemerkenswert freundlichen jungen Damen, die uns dann den ganzen Abend über sehr engagiert und kundig begleiteten.


Weinreise und Getränkereise (alkoholfrei) sollten es zum Menü sein, der Sommelier brachte wohlgewählte Tropfen an den Tisch und zeigte sich auch offen gegenüber Sonderwünschen (kein Süßwein zum Dessert). Die Getränkereise, wohl eine aus skandinavischen Ländern wegen der dort hohen Alkoholpreise importierte Idee, bestand aus edlen Obst- und Gemüsesäften und war bestens auf den jeweiligen Gang abgestimmt. Besonders der Datteltomatensaft überzeugte, Traubensaft allerdings wirkte als Weinersatz etwas müde und letztendlich zu süß. Aber: Endlich eine Alternative zum alkoholfreien Bier!

Vorweg gab es leckeres Brot mit Buttervariationen, besonders die schlanke and glatte Basilikumbutter entpuppte sich als feiner Zungenschmeichler.


Die Grüße aus der Küche fielen ausgesprochen bunt und so reichhaltig aus, dass sie als zwei Gänge daherkamen. Und sie boten originelle Aromatupfer:

 

Das gesamte Menü, kundenfreundlich kalkuliert, konnte nichts anderes tun, als den Gourmet glücklich machen. Allerdings haben wir nach der unschönen Lachs-Erfahrung ( mit Schmalz) im Vorjahr (dieses Jahr mit Erbsencrema) den Färöerlachs einfach ausgelassen, so dass das Glück wirklich vollkommen war.
Der Kabeljau mit mariniertem Pulpo und gepickelten Möhren kam weißfleischig und saftig daher, tadellos. Reichlich originell die Makrele, die man ohne weiteres für ein Stück Thunfisch-Sashimi hätte halten können, zumal sie quasi mediterran auf einer 'Tomatengrütze' ruhte. Großartig!

Kabeljau

Makrele


Rosa Rehrücken, Sous-vide, ein zarter Traum von allerhöchster Produktqualität, eingebettet in schmeichelnde, aufgeschäumte Steinpilzmilch. Genial dazu im Rahmen der Getränkereise eine trockene Saftmischung aus Kirsche, Paprika und Rote Bete.

Rehrücken


Lammhüfte liest sich gut, bei 'Zunge' zuckt man ja schon mal zusammen. Aber Entwarnung, auch hier kam wunderbar saftiges und aromatisches Fleisch auf den Teller umgarnt von ein wenig Ingwer-Jus, in dem sich kleine Zungenstückchen tummelten und durchaus für Wohlgefallen sorgten.

Lammhüfte

 

Wunderbar erfrischend und leicht, kam dann 'Allerlei Schafskäse' daher, ein bunter Teller mit köstlichem Käse in einer ungewöhnlichen, aber hervorragend abgestimmten Melonenvinaigrette mit 'Knäckebrot':


 

Der Nachtisch "Coco Lounge" erwies sich als eine Art dekonstruierter Piña Colada, die Geschmackskomponenten des Cocktails lagen einzeln auf dem Teller: geeiste Kokosmilch, Rum, Erdnusskaramell, Ananas. Nicht schlecht, aber als Komposition letztlich wenig überzeugend, weil die Aromen keine Verbindung miteinander eingingen - ich würde doch lieber den Drink nehmen.

Ein gelungenes Getränk gehörte tatsächlich zu diesem Gang, ein erfrischend würziger Matcha Eistee, Kafir & Rosmarin. Davon hätte ich gern noch einen Liter mitgenommen, hatte aber die Tupperdose vergessen.
Der süße Abschluß sollte eine kühl-gelungene Komposition aus Mascarpone, Blaubeere, Thymian und Kürbiskern sein - die Getränkereise unterstützte das Ganze mit 'Sommerbirne', einer feinen Saftmischung aus Birne, Linde, Kamille.

 

So zufrieden und gesättigt wir waren - das Haus ließ es sich nicht nehmen, uns einen abschließenden Küchengruß mit ausgefallenen Leckereien auf den Tisch zu stellen:


Ein dickes Lob für einen rundum gelungenen Abend!

Die Menükarte:

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In den vergangenen Jahren hatten wir den Eindruck, dass es für die Küche erhebliche Klimmzüge bedeutete, ihr Niveau (1 Michelinstern) zu erreichen und zu halten - das hat sich inzwischen geändert zugunsten einer großen Souveränität, die eingezogen ist. Damit meinen wir keine überzogene Lässigkeit, sondern das Besinnen auf die eigenen Stärken und den Verzicht darauf, jeden Gast mit jedem Teller auf jeden Fall glücklich machen zu wollen.

Glücklich waren wir allerdings mit dem wirklich runden Menü im Mai 2019, das neben liebenswerter Verspieltheit vor allem hohe Produktqualität und perfekte Garpunkte bot. Originell fanden wir auch die 'Weinreise', die zu einem Fischgang einen genial passenden ... Sake bereithielt.
Regelrecht umgehauen hat uns der roh marinierte Zander, sonst ein todlangweiliger Fisch für Fischhasser, der im Normalfall allenfalls an der Haut gebraten auf den Tisch kommt.
Hier ein paar optische Eindrücke des Menüs:

Ein bunter Gruß aus der Küche

 

Roh marinierter Zander

 

Hecht

 

Pulpo

 

Ferkel-Dim-Sum

 

Lamm

 

Tarte und Käse

 

Nachtisch

 

petit fours


 

Ostseelounge
im Strandhotel Fischland
Ernst-Moritz-Arndt-Strasse 6
18347 Dierhagen Strand

Tel.: 038226 52-0

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