Delikatessen des Meeres

 

Eine gute Küche ist bekanntlich nicht immer an den über ihr blinkenden Sternen der Marke Michelin zu erkennen, auch einfache Gerichte in schlichter Umgebung können begeistern - dieses Restaurant ist ein Beispiel dafür. Es gibt ausschließlich Gerichte mit sehr frischem Fisch oder Meeresfrüchten, die Beilagen bestehen immer aus Nudeln oder Kartoffeln.

 

Die handbeschriebene Tafel oben beschreibt nicht etwa die besondere Tagesempfehlung des Küchenchefs, sie beinhaltet die komplette Speisekarte. Etwas anderes gibt es nicht. Der hungrige Gast begibt sich also über ein paar Treppen zur Theke im Souterrain und teilt dort nicht etwa mit, was er zu speisen gedenkt, sondern nur, wie viele Portionen vom Tagesgericht er gerne
hätte und was er dazu trinken möchte. Er zahlt, ihm wird mitgeteilt, auf welches Klingelzeichen er achten soll, er nimmt Besteck, Getränke und Papierservietten mit - und wartet, bis es entsprechend klingelt. Dann holt er seine Teller ab und stellt sich entweder ins Restaurant an einen der Holztische - es gibt nur Stehplätze, an denen man zusammen mit fremden Essern speist, oder er geht nach draußen an einen der regengeschützten Tische und setzt sich mitten auf den Colonnaden auf eine nicht übermäßig bequeme Holzbank zu den anderen Gästen. Definitiv nichts für Leute mit Sozialphobien!
Service gibt es nicht, man bringt den leeren Teller und die Gläser selbst wieder an die Theke. Das Lokal hat abends geschlossen, ist mittags aber ein höchst beliebter Treffpunkt der Mitarbeiter von umliegenden Firmen und Behörden, viele Krawattenträger - und mittlerweile alles andere als ein Geheimtipp. Harte Konkurrenz für die Kantinen:

 

Der auf der Tafel befindliche Hinweis auf die Wartezeiten ist keineswegs scherzhaft gemeint, denn jedes Gericht wird erst nach der Bestellung frisch zubereitet. Wer nur wenig Zeit mitbringt, tut gut daran, spätestens um 11:30 dort einzutreffen, sonst bekommt er mit Pech erst nach einer Stunde seine Mahlzeit.

Der Tagesteller selbst bietet keinerlei Anlass zu Mäkeleien - Fischfilets sind immer sehr saftig und auf den Punkt gegart, die Kartoffeln oder Nudeln erfreuen mit ausgezeichneter Qualität, die Soßen sind wohlgewürzt und aromatisch, zudem in letzter Zeit erfreulich leicht. Ich habe einmal Schollenfilets mit Lachssauce versucht und war kurz davor, trotz der reichlichen Portion einen zweiten Teller zu ordern. Diesmal waren es die Flusskrebse mit Kartoffeln und Senf-Lauchsauce, ein richtiger Kracher!


Hier geht es nicht fein und edel zu, sondern sehr, sehr rustikal - und
Fischliebhaber kommen in diesem ehemaligen Fischgeschäft zu günstigen Preisen auf ihre Kosten. Die Fußgängerzone Colonnaden ist recht lang, 'Delikatessen des Meeres' finden sich ziemlich dicht an der Esplanade (U-Bahn Stephansplatz).

 

Im Mai 2012 lässt sich feststellen, dass Qualität und Geschmack der Speisen nach wie vor überzeugen: Solide, bodenständige Gerichte mit reichlich Einlage aus dem Meer und zuweilen hintergründiger Schärfe. Allein die Preise wurden um über 10 % angehoben.

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Anfang September 2025 war hier alles beim Alten geblieben - nur die Preise hatten sich erwartungsgemäß nicht wieder auf das niedrige Vor-Corona-Niveau begeben. Die auf der üblichen Kreidetafel angebotene Suppe allerdings klang für Feinschmeckerohren alles andere als einladend:

Um so größer dann die Überraschung, als eine hocharomatische Suppe, die an eine Minestrone erinnerte, abgeholt werden konnte. Eine Suppe, die wahnsinnig lecker geraten war und einfach nach mehr schmeckte, geschuldet auch einem sehr hohen Knoblauchanteil. Das Rotbarschfilet ruhte saftig und einwandfrei auf dem Ganzen, einer Mindermeinung nach jedoch eine Spur 'zu fischig':


Insgesamt nach wie vor eine Empfehlung für Freunde von Fisch und Meeresfrüchten.

 

 
 
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