El Celler de Can Roca


Wer jetzt in der Nummer 1 der laut Rangliste
der “50 besten Restaurants der Welt” einen Tisch reservieren möchte,
sollte Geduld aufbringen - ein Jahr ungefähr wäre gut. Abendtermine gibt
es nur für Punkt 21 Uhr.
Wer dann schließlich im Restaurant erscheint (ein großer, hauseigener
Parkplatz ist vorhanden), wird freundlich empfangen, nach der
Landeszugehörigkeit befragt und sodann in die nahezu schmucklosen,
beinahe kalt wirkenden Räumlichkeiten geführt. Keine Hintergrundmusik.
Unsere Tischdekoration bestand aus drei Steinen. Angesichts der
abendlichen Dunkelheit war vom verglasten, baumbestandenen Innenhof kaum
etwas zu sehen.

Wir waren im Oktober 2013 dort. Die ganze Zeit über betreute uns
dieselbe freundliche Bedienung, die uns später sogar noch die Küche
zeigte - sehr angenehm. Es ging sofort los mit einem Begrüßungssekt, mit
den Speisekarten und Grüßen aus der Küche. Allerdings gab es nur wenig
zu wählen, nämlich entweder das klassische Menü ( 155,- Euro) oder das
Menü Festival (190,- Euro). Wir entschieden uns für das zweite, es
wirkte einfach eine Spur gewagter. Die passende Weinbegleitung schlug
pro Kopf mit 90,- Euro zu Buche. Wiewohl man bei rund 20 Gängen kaum
etwas extra zur Sättigung braucht, nahmen wir von der leckeren
Brotauswahl, besonders das Tomatenröllchen erwies sich als leichte
Köstlichkeit.
Als erstes kam ein auf Holz befestigtes Metallgestänge 'Essend durch die
Welt' auf den Tisch, fünf überraschende und sämtlich (!) aromatisch
überzeugende Häppchen aus Mexico, Peru, China, Korea und Marokko. Besonders die
marokkanische Komposition aus Mandel, Rose, Honig, Safran, Raz el Hanout
und Ziegenjoghurt kam als ganz großes Gaumenkino daher. In diesem Stil
kann es weiter gehen, dachten wir. Und so ging es dann auch tatsächlich
weiter.
Wir bekamen ein Olivenbäumchen serviert, von
dem wir die karamellisierten, mit Anchovis gefüllten Oliven selbst pflücken
mussten - eine nette Einlage. Was folgte, war ein Dreierlei aus Carpano-Bonbon mit Grapefruit und schwarzem Sesam, Zucchinitortilla und
Shrimpstörtchen, zu essen in eben dieser Reihenfolge. Nach diesem
Gedicht fragten wir uns, ob es wohl in dieser Qualität weiter gehen
würde. Oftmals geraten Hauptgerichte uninspiriert bis langweilig, selbst
wenn sie in erster Linie aus erstklassigen Fleisch- oder Fischfilets
bestehen und richtig gegart sind. Diesem Problem geht das 'El Celler de
Can Roca' konsequent aus dem Weg: Es gibt einfach keinen Hauptgang. Nur
Vorspeisen und Nachspeisen, teilweise mit monströsen Pinzetten zu essen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass uns ein wirklich hochklassiges
Menü serviert wurde, wie man es in solcher Rundheit und Abgestimmtheit
nur selten findet. Hier und da ahnten wir die entfernte Patenschaft von
Ferran Adrià, die Roca-Brüder haben ihn jedoch nicht kopiert, sondern
weiterentwickelt. Keine Molekularexperimente aus dem Chemiebaukasten.
Die Aromen sind allesamt sehr filigran herausgearbeitet, bei der
Gemüseconsommé mit Sprossen, Blüten, Blättern und Früchten
beispielsweise war tatsächlich jede noch so winzige Einzelheit
herauszuschmecken, trotz des deutlichen Gelees. Und das Viennetta-Eis
aus weißem Spargel und Trüffel überwältigte mit knalligem Spargelaroma,
wie man es sich von normalem Spargel nur wünschen kann.
Jeder kleine Gang war eine Offenbarung, man hätte ihn auch gern als
Tellergericht bestellt.
Besonderes Lob gebührt der grandiosen Weinauswahl, die wunderbar auf die
Gerichte abgestimmt war. Wüssten wir es nicht besser, würden wir glatt
annehmen, die Weine wären extra für dieses Menü produziert worden.
Wenn ein Restaurant derart gut bewertet wird (3 Michelin-Sterne), ist
genaueres Hinsehen nahe liegend. Wir haben allerdings nichts gefunden,
was ernsthaft Anlass zu Kritik geben könnte. Schön wäre natürlich
gewesen, wenn sich eine Art roter Faden durch das Menü gezogen hätte,
ein Anfang war mit der 'Weltreise' und ein Ende mit 'Shalimar' ja schon
gemacht. Aber das wäre Gejammer auf sehr hohem Niveau, denn eigentlich
stimmte alles.
Das Menü im Einzelnen:

Essend durch die Welt
Mexico: Mole Poblano- und Guacamole-Burrito, Peru: Ceviche-Brühe,
China: In Essig eingelegtes Gemüse mit Pflaumencreme, Marokko:
Mandel, Rose, Honig, Safran, Raz el Hanout, Ziegenjoghurt, Korea:
Geröstetes Brot mit Panko und durchwachsenem Speck mit Sojasauce,
Zuckerschoten, Kimchi und Sesamöl

Karamellisierte Oliven mit Anchovis

Carpano-Bonbon mit Grapefruit und schwarzem Sesam, Zucchinitortilla,
Shrimpstörtchen

- Trüffelpraline und Steinpilzbrioche

Lauwarme Gemüseconsommé mit Sprossen, Blüten, Blättern und Früchten

Feigenblatt
Käse aus Feigenbaumblatt, weiche Mandeln, Physalis, gegrillte und
Naturfeige, Terrine aus Feigenbaumblatt mit der Haut und dem Weißen der
Feige, Feigeneis mit Essig. Kümmel, Fenchel, Estragon und Kerbel.

Viennetta-Eis aus weißem Spargel und Trüffel

Makrele mit Mixpickles und Rogen von der Meeräsche
Sauce von der Makrele mit Weißwein, Zitrone, in Essig eingelegtes
Gemüse, gebratene Tomate, Rogen von der Meeräsche, in Zucker und Salz
marinierte Makrele. Makrelenaufguss.

Salat aus Seeanemonen, Schwertmuschel, Seegurke und marinierten Algen

Die ganze Gamba
Gegrillte Gamba, Saft aus dem Kopf mit Algen, Meerwasser, Quinoa,
Planktonbiskuit - alles essbar!

Langustine aus dem Palo Cortado-Dampf, Krebsfleisch-Velouté und
Sherry-Karamel

- Gegrillte Seezunge mit fermentiertem schwarzem Knoblauch, weißem
Knoblauch, Petersiliensaft und Zitrone

Stockfisch mit Miso und Haselnüssen

Gegrilltes Lammbrustfilet mit Aubergine, Bries, Kaffee und Lakritz

Taubenparfait mit Zwiebel, Curry-karamelisierte Walnuss, Orangenschale
und Kräutern

Sauerteig-Eis mit Kakaomark, gebratenen Litchies und Balsamessig-Makkaroni

Adaption des Parfüms "Shalimar" von Guerlain: Teecreme mit Blutorange,
Vanille, Mango und Rosen

Veilchen: Sphäre von Zimt und Veilchen mit Kokos und Honigtoffee

Petit Fours vom Wagen

Nachspeisewagen

Weinkarte

Ein Blick in die Küche

Josep Roca beim
Autogrammschreiben
El Celler de Can
Roca
C/ de Can Sunyer, 48
17007 Girona /Spanien
Tel: +34 972 22 21 57